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Manche Pensionskasse ist nicht so sicher wie dargestellt

Montag, 09.10.2017

Die ausgewiesenen Deckungsgrade der Pensionskassen stellen ihre finanzielle Lage zu gut dar. Tatsächlich gingen die risikotragenden Deckungsgrade 2016 weiter zurück. Wegen der tiefen Zinsen müssten die Kassen höhere Reserven bilden, sagen Experten.

Viele Schweizer Pensionskassen weisen zu hohe Deckungsgrade und damit eine vermeintlich zu gute finanzielle Situation aus. Sie würden damit Fehlentscheidungen riskieren, mahnte Pascal Renaud Anfang dieses Jahres. Er ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten. Wenn Pensionskassen Deckungsgrade von 100% und mehr ausweisen, wiegen sie ihre Versicherten in Sicherheit.

Risikotragende Deckungsgrade sind 2016 weiter zurückgegangen

Dies könnte jedoch täuschen, bestätigt Stephan Skaanes, Partner vom Pensionskassenberater PPCmetrics. Tatsächlich ging der sogenannte risikotragende Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen im System der Vollkapitalisierung 2016 von 91.7% auf 88.4% zurück, wie aus der Studie «Analyse der Geschäftsberichte von Pensionskassen» von PPCmetrics hervorgeht. Ein Risikotragender Deckungsgrad unter 100% bedeutet, dass per Stichtag die garantierten Renten nicht ohne Querfinanzierungen der Risikoträger finanziert werden können. In einem solchen Fall müssten aktive Versicherte und gegebenenfalls der Arbeitgeber mit potenziellen Leistungseinbussen oder sogar Sanierungsmassnahmen rechnen, warnt Skaanes. Er erklärt den Rückgang des Risikotragenden Deckungsgrades mit den gesunkenen Zinsen (insbesondere längere Laufzeiten), wodurch die diskontierten Verpflichtungen steigen. Vorsorgeeinrichtungen täten also gut daran, ihre Reserven zu verstärken.

Effektive Verzinsung der Sparkapitalien der Aktiven ist erneut gesunken

Auch die effektive Verzinsung der Sparkapitalien der aktiven Versicherten ist 2016 erneut gesunken. Sie lag im Durchschnitt bei 1.64% und damit unter dem Vorjahreswert von rund 1.91% (2014: 2.34%). Bei den öffentlich-rechtlichen Kassen lag die Verzinsung des Sparkapitals im Mittelwert 1.35% tiefer als bei den privatrechtlichen Kassen (1.69%).

Eine Mehrheit (56%) der Vorsorgeeinrichtungen verwendete 2016 eine Verzinsung der Sparkapitalien der Aktiven zwischen 1.0% und 1.5%. Im Jahr 2015 lag die Verzinsung bei 65% der Kassen noch zwischen 1.5% und 2.0%.

Trend hin zu sinkenden technischen Zinsen setzt sich fort

Der technische Zinssatz, also die Annahme der Pensionskassen, wie hoch sie das Vorsorgekapital (in die Zukunft gesehen) verzinsen können, lag 2016 nochmals tiefer als im Vorjahr. Der Trend hin zu sinkenden technischen Zinsen setzt sich fort. So sank der durchschnittliche technische Zins gegenüber dem Vorjahr um -0.25 Prozentpunkte von 2.52% auf 2.27%. Im Gegensatz zum Vorjahr ist der technische Zinssatz somit stärker gesunken als das Zinsniveau gemessen an der Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe. Diese ging von -0.04% (Ende 2015) auf -0.14% (Ende 2016) zurück.

Bei öffentlich-rechtlichen und Teilkapitalisierten Vorsorgeeinrichtungen ist der technische Zins im Durchschnitt weiterhin höher als bei privatrechtlichen und Vollkapitalisierten Pensionskassen, wobei 2016 eine leichte Konvergenz der technischen Zinssätze zu beobachten war. Die Spannweite der technischen Zinssätze (Differenz zwischen Minimum und Maximum) bewegte sich zwischen -0.75% und 3.50%. Die Vorsorgeeinrichtung mit dem deutlich negativsten technischen Zins ist eine Rentnerkasse.

Rentner-Kapital wird höher verzinst als das Vorsorgekapital der Aktiven

Der Vergleich zwischen effektiver Verzinsung und technischem Zins zeigt, dass im Beitragsprimat die Verzinsung der Vorsorgekapitalien für Rentner (technischer Zins) weiterhin höher war als die Verzinsung der Sparkapitalien der aktiv Versicherten (effektive Verzinsung). Die Differenz der beiden Kennzahlen verbleibt im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich.

Erreichen die Kassen das Anlageziel nicht, müssen sie quersubventionieren

Die Studie zeigt auch, wie weit die technischen Zinssätze bei den Pensionskassen auseinanderklaffen. So versprechen manche Kassen noch immer, das Alterskapital mit 3.5% zu verzinsen. Erreichen sie dieses Anlageziel nicht, müssen sie die Renten mit dem Kapital der aktiv Versicherten quersubventionieren. Die laufenden Renten dürfen sie nicht kürzen. Auffällig ist, dass es sich bei den Kassen mit einem sehr hohen technischen Zinssatz oftmals um öffentlich-rechtliche Kassen handelt. Dort würde im Notfall der Steuerzahler einspringen!

Einzelne Kassen weisen aber auch einen negativen technischen Zinssatz von -0.75% aus. Gemäss Stephan Skaanes bedeutet dies, dass die Kassen so viel Geld in Reserve haben, dass sie auch bei einem negativen Zinssatz die angestrebten Renten bezahlen können. Erwirtschaften sie höhere Zinsen, können sie den Versicherten auch mehr Geld gutschreiben. 

Pensionskassen verwalten die Gelder weiterhin kosteneffizient

Für die Verwaltung der Vermögen geben die Pensionskassen immer weniger Geld aus. So betrugen die Vermögensverwaltungskosten 2016 im Durchschnitt aller Vorsorgeeinrichtungen 0.42% (Median: 0.36%) der transparenten Anlagen. Der Median und die durchschnittlichen Kosten nahmen im Vergleich zum Vorjahr (2015 Durchschnitt: 0.43%, Median: 0.40%) leicht ab. Der geringe Median im Vergleich zum Durchschnittswert deutet auf einige Ausreisser im oberen Bereich der Verteilung der Vermögensverwaltungskosten hin. Die Kostentransparenz bleibt auf hohem Niveau konstant. Schweizer Pensionskassen verwalten die ihnen treuhänderisch anvertrauten Gelder also weiterhin kosteneffizient.

Umwandlungssätze sind immer noch viel zu hoch

Die ausgewiesenen Umwandlungssätze aller betrachteten Vorsorgeeinrichtungen betrugen per 01.01.2017 im Durchschnitt und im Median rund 6.0% (2016: Durchschnitt 6.1%; Median 6.2%). Gegenüber dem Vorjahr hat demnach sowohl der Median als auch der durchschnittliche Umwandlungssatz abgenommen. Die Spannweite umfasst Sätze zwischen 4.6% (Minimum) und 6.9% (Maximum). Basierend auf den Zinssätzen per 31.12.2016 liegt der ökonomisch neutrale Umwandlungssatz hingegen bei 3.9%. Der durchschnittliche Umwandlungssatz der untersuchten Pensionskassen liegt somit um mehr als 50% darüber. Dabei liegt der gesetzlich vorgeschriebene Umwandlungssatz (im Obligatorium) nach wie vor bei 6.8%.

Das bedeutet, dass ökonomisch gesehen zur Finanzierung einer (garantierten) Altersrente rund die Hälfte mehr an Kapital benötigt wird, als bei der Pensionierung an Altersguthaben vorhanden ist. In einer weiteren Analyse werden die bereits bekannt gegebenen zukünftigen Umwandlungssätze (max. 10 Jahre in die Zukunft) der Kassen verglichen. Vorsorgeeinrichtungen innerhalb dieser Vergleichsgruppe rechnen in Zukunft mit Umwandlungssätzen von durchschnittlich gerundet 5.7% (2015: 5.95%). In beiden Auswertungen weisen öffentlich-rechtliche und Teilkapitalisierte Vorsorgeeinrichtungen höhere Umwandlungssätze aus als privatrechtliche und Vollkapitalisierte Kassen.

Umwandlungssätze dürften weiter sinken

Die aktuellen Umwandlungssätze per 01.01.2017 bei Pensionskassen liegen durchschnittlich bei rund 6.0% (2016: 6.1%) und werden gemäss Informationsstand am Stichtag in den nächsten Jahren auf durchschnittlich rund 5.7% gesenkt werden. Dies verdeutlicht zwei Sachverhalte: Einerseits werden in Zukunft im Vergleich zu heute tiefere Umwandlungssätze verwendet. Andererseits sind gegenüber dem Vorjahr die aktuellen und die beschlossenen zukünftigen Rentenumwandlungssätze nochmals gesunken.

Anlagestrategien variieren je nach Pensionskasse stark

Bei den Anlagestrategien der Pensionskassen zeigt sich unverändert eine grosse Vielfalt. Obligationen CHF, Aktien Welt und Immobilien sind weiterhin die mit Abstand bedeutendsten Anlagekategorien. Die Spannweiten der jeweiligen Anlagekategorien sind sehr weit, was auf eine grosse Variabilität der Anlagestrategien im Pensionskassenmarkt in der Schweiz schliessen lässt. Grundsätzlich sollte die Anlagestrategie aber der strukturellen und finanziellen Risikofähigkeit der Kasse entsprechen.

Über die Studie

Informationen darüber, wie es um die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen bestellt ist, sind von grossem Interesse für die Versicherten, die Verantwortlichen sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen. Gewisse gebräuchliche Kennzahlen, wie etwa der Deckungsgrad, sind aber schwierig zu vergleichen, da sie auf unterschiedlichen Annahmen, Parametern und Bewertungen basieren. Der Pensionskassen-Berater PPCmetrics hat in seiner aktuellen Studie «Analyse der Geschäftsberichte von Pensionskassen» deshalb Daten aus den revidierten Geschäftsberichten 2016 von 280 Kassen mit einem kumulierten Vorsorgevermögen von rund 552 Milliarden Franken und über 2.6 Millionen Versicherten verwendet. Diese seien – im Gegensatz zu Erhebungen basierend auf subjektiven Befragungen – zuverlässiger.

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