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«Weshalb erhält ein Mörder Kapitalleistungen seines Opfers in der 2. und 3. Säule?»

Montag, 04.06.2018

Führt jemand den Tod eines anderen vorsätzlich herbei, soll er nicht noch finanziell davon profitieren. So sagt es das Schweizer Erbrecht. Ansprüche der Hinterbliebenen in der 2. und 3. Säule fallen jedoch nicht darunter. Der Bundesrat muss nun handeln.

Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli hat vergangene Woche eine Interpellation an den Bundesrat eingereicht, worin er fragt, weshalb ein Mörder Kapitalleistungen seines Opfers in der 2. und 3. Säule erhält. Dem Interpellanten sind aktuell zwei Fälle in einer Freizügigkeitsstiftung und in einer Vorsorgestiftung der Säule 3a bekannt, bei welchen der Täter wegen eines Tötungsdelikts Kapitalleistungen seines Opfers (konkret: seiner von ihm getöteten Ehefrau) basierend auf der gesetzlichen Begünstigungsordnung erhalten musste.

Gesetzeslücke macht es möglich

Im Schweizer Erbrecht besteht die Möglichkeit der Erbunwürdigkeit, u.a. dann, wenn jemand vorsätzlich den Tod des Erblassers herbeigeführt hat (Art. 540 ZGB). Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass eine Person, die den Tod einer anderen Person vorsätzlich herbeigeführt hat, nicht auch noch finanziell von deren Ableben profitiert.

Die Ansprüche der Hinterbliebenen in der beruflichen Vorsorge sowie in der 3. Säule fallen nach der geltenden Praxis jedoch nicht in den Bereich des Erbrechts. Es handelt sich um vorsorgerechtliche Leistungen. Hier fehlt eine vergleichbare Regelung, die beispielsweise einen Mörder von den Hinterlassenenleistungen ausschliessen würde. Auch ist die berufliche Vorsorge vom Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ausgenommen, in welchem ebenfalls eine entsprechende Regelung zu finden wäre (vgl. dazu Art. 21 ATSG).

Vorsorgestiftungen sind zu wenig informiert

Dittli greift damit eine Kritik auf, die der Verein Vorsorge Schweiz unlängst an ihn herangetragen hat, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Denn Emmanuel Ullmann, Generalsekretär des Vereins, der die wichtigsten Vorsorgestiftungen von dritter Säule und Freizügigkeit repräsentiert, findet es absolut stossend, dass die Vorsorgegelder eines Mordopfers an den Täter ausbezahlt werden müssen.

Ullmann sieht ein weiteres Problem im Nichtwissen der Vorsorgestiftungen. Diese wüssten in der Regel nicht, ob es sich um einen natürlichen oder einen gewaltsamen Todesfall handle, zitiert ihn der Tages-Anzeiger. Ein Mörder könne auch vom Gefängnis aus seine Ansprüche auf das Geld seines Opfers geltend machen, ohne dass die Stiftung von der Tat erfahre. Man gehe daher von einer «gewissen Dunkelziffer» aus.

Nur wenige Stiftungen haben Bestimmungen angepasst

In manchen Fällen würden die Stiftungen zwar von den Hinterbliebenen informiert, wie Ullmann offenbar weiss. Manche Anbieter hätten auch bereits Bestimmungen erlassen, wonach Mörder keine Kapitalleistungen ihrer Opfer erhalten könnten. Dies sei allerdings nur bei wenigen Stiftungen der Fall. Ullmann verwies zudem wohl auf das Risiko, dass ein Ausgeschlossener gegen ein solches Reglement klagen könne.

Druck auf die Regierung nimmt zu

Dittli dürfte den Stein mit seiner Interpellation ins Rollen gebracht haben. Auf Bundesebene sind Interpellationen ein Werkzeug zur Kontrolle des Bundesrats. Der Interpellant verlangt vom Bundesrat schriftlich Auskunft über diese Angelegenheit und der Bundesrat muss schriftlich darauf eingehen. Ist Dittli von der Antwort nicht befriedigt, kann er eine Diskussion vor dem Ständerat verlangen. Stimmt der Rat diesem Begehren zu, wird die Frage in Anwesenheit des zuständigen Mitglieds des Bundesrates diskutiert.

Wie der Tages-Anzeiger spekuliert, hoffen Ullmann und Dittli auf eine Regelung analog dem Erbrecht. Dittli will aber offenbar erst abwarten, ob der Bundesrat von sich aus tätig wird, bevor er den Druck erhöht. Mit einer Motion etwa würde Dittli von der Regierung verlangen, dass sie eine Gesetzesänderung ausarbeitet. Dieser Auftrag wäre verbindlich, sofern das Parlament ihm zustimmt.

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