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Banken in der Schweiz rüsten sich vermehrt für zukünftige Herausforderungen

Dienstag, 06.02.2018

Die grosse Mehrheit der in der Schweiz ansässigen Banken erwartet für 2018 steigende operative Ergebnisse. Zunehmend im Fokus stehen Innovation und Wachstum. Eine grosse Belastung sind derweil die vorherrschenden Negativzinsen, besagt eine Umfrage.

Seit Ausbruch der internationalen Finanzkrise sind nun mehr zehn Jahre vergangen. Viele Banken sind seither vom Markt verschwunden. Ein Grund dafür ist die strenge Regulierung. Die daraus resultierenden Anpassungen waren und sind mit entsprechend negativen Folgen für die operative Ertragskraft und mit Kosten verbunden. Hinzu kamen neue Herausforderungen, etwa die Negativzinsen, branchenfremde Konkurrenz sowie die zahlreichen fundamentalen Veränderungen aufgrund der Digitalisierung.

Banken rechnen mit steigenden operativen Ergebnissen

Trotz all dieser Schwierigkeiten und Unsicherheiten blicken Schweizer Banken zuversichtlich in die nähere Zukunft. So erwarten 82% (Vorjahr 68%) der in einer Studie von EY befragten Banken steigende operative Ergebnisse für das anstehende Jahr – der höchste Wert seit mehreren Jahren. Diese Zuversicht erklärt Patrick Schwaller, Managing Partner, Audit Financial Services bei EY in der Schweiz, damit, dass viele Banken in den letzten anspruchsvollen Jahren eine relativ hohe Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt und daraus ein neues Selbstbewusstsein entwickelt hätten. Ein Grossteil der befragten Institute erwarte zudem, dass es zu Verbesserungen in den ökonomischen und regulatorischen Rahmenbedingungen kommen werde.

Mehrheit erachtet Finanzmarkt heute stabiler als vor der Finanzkrise

Im Nachgang zur Finanzkrise haben die Regulatoren weltweit strenge Auflagen durchgesetzt, insbesondere hinsichtlich Kapital, Liquidität, Derivatehandel sowie Anlegerschutz und Steuertransparenz. Heute sind die Finanzinstitute offenbar der Meinung, dass die verschärfte regulatorische Agenda ihre gewünschte Wirkung entfaltet habe: 87% der Banken sind der Überzeugung, dass der Finanzmarkt heute stabiler ist als vor der Finanzkrise. Weiter gehen 37% (Vorjahr 11%) der befragten Banken sogar davon aus, dass die Regulierung nicht weiter zunehmen werde – das ist der höchste Wert seit Durchführung dieser Studie. Ob das Finanzsystem in seiner heutigen Form allerdings ausreichend stabil für zukünftige, derzeit noch unbekannte Herausforderungen und Krisen ist, muss sich laut Olaf Toepfer, Leiter Banking & Capital Markets bei EY in der Schweiz, noch weisen.

Fokus verlagert sich von Kostenmanagement auf Innovation und Wachstum

Die Banken waren die letzten Jahre stark mit der Umsetzung der neuen Regulierungsvorschriften beschäftigt. Ihr Fokus war deshalb in erster Linie auf die dadurch entstehenden Kosten und die rückläufigen Margen gerichtet. Mit der von der Bankenseite herbeigesehnten Normalisierung der regulatorischen Rahmenbedingungen scheint nun eine Neupositionierung der generellen Fokusthemen stattzufinden. 43% (Vorjahr 27%) der befragten Institute wollen für das laufende Jahr den strategischen Fokus wieder vermehrt auf Innovation und Wachstum legen. Der Wandel, in dem sich wegen der Digitalisierung aktuell auch die Finanzbranche befindet, macht diese Entscheidung umso wichtiger. Neben Investitionen in neue Vertriebskanäle sowie neue Technologien stehen dabei vermehrt auch Partnerschaften mit Nicht-Banken, beispielsweise mit Fintech-Unternehmen, im Vordergrund.

Banken leiden unter Negativzinsen

Die Banken beurteilen die Negativzinsen weiterhin als problematisch – 86% (Vorjahr ebenfalls 86%) der befragten Banken erkennen negative Folgen aus der Tiefzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank für ihr Institut. Als weitaus häufigste Folge wird in diesem Zusammenhang die Margenverengung im klassischen Bankgeschäft (59%) genannt. Der sich verstärkende Margendruck führt mitunter dazu, dass zwischenzeitlich die Mehrheit der Banken (57%) eine Weitergabe von Negativzinsen an Privatkunden nicht mehr kategorisch ausschliesst. Retailkunden sollten von dieser Entwicklung jedoch weiterhin nicht direkt betroffen sein, wie Schwaller meint.

An dem für die Banken widrigen Zinsumfeld wird sich gemäss Einschätzung der befragten Institute kurzfristig nichts ändern. Eine deutliche Mehrheit (74%) geht davon aus, dass die Nationalbank erst mittelfristig, das heisst in ein bis drei Jahren, ihre expansive Geldpolitik beenden wird. Die Banken bleiben damit gefordert.

Attraktivität des Kreditgeschäfts nimmt weiter zu

Das Kreditgeschäft bleibt für die Schweizer Banken – trotz des Negativzinsumfelds – attraktiv und wird im Vergleich zu den Vorjahren sogar noch etwas attraktiver eingeschätzt. Nur noch 25% der befragten Institute gaben an, für das laufende Jahr eine restriktivere Kreditpolitik zu verfolgen. Dieser Wert lag vor vier Jahren noch bei 60% und hat dann kontinuierlich abgenommen. Gemäss Schwaller sind die Banken deutlich optimistischer als noch in den Vorjahren. Dies gilt insbesondere für KMU-Kreditfinanzierungen. 

Die letzten Jahre waren von einer Phase ungewöhnlich tiefer Kreditausfälle geprägt, was offenbar auch die Einschätzung der Banken beeinflusst. Nur noch 20% (Vorjahr 30%) der Banken rechnen – trotz laufend zunehmenden Kreditvolumens – mit steigenden Wertberichtigungen und Rückstellungen auf den Kreditausleihungen. Solange die Zinsen tief bleiben, könnten die Kreditnehmer die derzeit historisch tiefen Finanzierungskosten relativ problemlos bezahlen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Szenario ewig Bestand haben werde, mahnt Schwaller.

Banken erkennen das Ausmass der Digitalisierung

Die Schweizer Banken erkennen zunehmend das Potenzial der Digitalisierung. 53% (Vorjahr 26%) der befragten Banken rechnen damit, dass die technologische Entwicklung letztlich auch in ihrer Branche eine fundamentale Auswirkung auf Strategien, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben wird. Das ist ein veritabler Meinungsumschwung, denn noch in den Vorjahren sah die Mehrheit der Banken in der Digitalisierung vor allem einen zusätzlichen Vertriebskanal, welcher das bestehende Geschäft ergänzt. Heute sind beinahe drei Viertel der befragten Banken der Meinung, dass sich die Schweizer Finanzindustrie in einem Strukturwandel befindet.

Die Digitalisierung ist laut Toepfer der wichtigste Treiber für einen langfristigen Strukturwandel. Aus der Einschätzung der Banken lasse sich ablesen, dass die Digitalisierung längst nicht mehr nur ein Trend sei, sondern eine zunehmende Realität, ist Toepfer überzeugt. Als Reaktion auf diese Entwicklung investieren die Banken in den Aufbau von digitalen Thinktanks bzw. Innovations-Hubs, in welchen neue Lösungen getestet und weiterentwickelt werden.

Banken planen Roboter einzusetzen

Eine grosse Mehrheit von 75% der befragten Banken beabsichtigt in Zukunft auch Roboter bzw. virtuelle Assistenten einzusetzen. Diese Entwicklung wird sich nach Einschätzung der Banken insbesondere in den Bereichen Analyse und Entscheide (z. B. Anlagevorschläge, Kreditentscheide) als auch im Middle- und Backoffice niederschlagen. Laut Toepfer braucht es dazu jedoch weitere Fortschritte in der Standardisierung und Industrialisierung von Geschäftsprozessen.

Cybersecurity ist das Thema der Stunde

Die im Eiltempo voranschreitende Digitalisierung führt zu einer höheren Verwundbarkeit der Banken bei der IT-Sicherheit. Durch das «Mobile Banking» sind neue Einfallstore für Hacker entstanden – das professionelle und sichere Handling von Daten ist zentral. Zahlreiche in den letzten Monaten bekannt gewordene Cyberangriffe auf private Mailkonten von Politikern, Geheimdiensten, Unternehmen, Zentralbanken und das Zahlungsnetzwerk SWIFT haben die immensen Gefahren rund um die Datensicherheit deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es nur wenig verwunderlich, dass die Banken in der diesjährigen EY-Umfrage das Thema «Cybersecurity» als das wichtigste Fokusthema für das laufende Jahr genannt haben.

Über das EY Bankenbarometer

Das EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 100 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz. Auch die Schweizer Einheiten der zwei Grossbanken wurden befragt; ihre Einschätzungen sind in die generellen Auswertungen eingeflossen, wurden aber in den Auswertungen nach Bankentyp nicht berücksichtigt. Bei 33% der befragten Institute handelt es sich um Auslandsbanken, bei 31% um Privatbanken, bei 22% um Regionalbanken und bei 14% um Kantonalbanken. 70% der Institute stammen aus der Deutschschweiz, 23% aus der Westschweiz und 7% aus dem Tessin. Die Befragung wurde im November 2017 durchgeführt. Die Erhebung und Auswertung der Daten erfolgte durch EY in der Schweiz.

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