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«Das Rentenalter anzuheben ist eine mögliche Lösung um die Altersvorsorge weiterzuentwickeln»

Freitag, 22.06.2012

Die berufliche Vorsorge ist eine gigantische Umverteilungsmaschine geworden und strapaziert die nachhaltige Finanzierung zunehmend, ist SVV-Präsident Urs Berger überzeugt. Das muss sich ändern, wozu der Versicherungsverband beitragen will.

Die Altersvorsorge ist heute stark unter Druck. Das liege jedoch nicht daran, dass das schweizerische Drei-Säulen-System an sich nicht gut wäre, wie Urs Berger, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) an der Generalversammlung des SVV 2012 betonte. Das System sei aber nur erfolgreich, wenn alle drei Säulen stark und stabil seien.

Zweite Säule ist zur Umverteilungsmaschine geworden

Während die AHV ein reines Solidarwerk sei, in dem Gelder umverteilt würden, wobei die Erwerbstätigen die heutigen Renten finanzieren würden, sei eine solche Umverteilung in der Beruflichen Vorsorge nicht vorgesehen. Im Kapitaldeckungsverfahren spare jeder individuell seine künftigen Renten an. Doch aufgrund des demographischen Wandels würden Milliarden Franken von Jung zu Alt umverteilt, was man sich bis heute nur dank Wohlstand habe leisten können. So sei die berufliche Vorsorge eine gigantische Umverteilungsmaschine geworden und strapaziere die nachhaltige Finanzierung zunehmend, mahnte Berger.

Demografische Entwicklung fordert Anpassungen in der Altersvorsorge

Inzwischen würden über zwei Millionen Personen in der Schweiz eine Altersrente beziehen. Etwa vier Erwerbsfähige kämen auf einen Rentner. Bis 2050 würden es voraussichtlich noch zwei sein, prognostiziert Berger. Dass diese demografische Entwicklung auch Anpassungen in der Altersvorsorge nach sich ziehen muss, ist laut Berger selbstverständlich.

Mindestzins und Mindestumwandlungssatz müssen gesenkt werden

Klar sei auch, dass die zu hohen, politisch motivierten Garantien in Form von Mindestzins und Mindestumwandlungssatz das System der beruflichen Vorsorge aushöhlen und geradezu destruktiv wirken würden. Da der Umwandlungssatz zu hoch sei, seien alle gesprochenen garantierten Renten ebenfalls zu hoch, was in der Konsequenz zu einem Abbau der Substanz der Pensionskassen führe.

Um für die Senkung des Umwandlungssatzes in der Bevölkerung Unterstützung zu erhalten, müsse das Leistungsniveau bzw. müssten die Renten so weit als möglich mit flankierenden Massnahmen aufrecht erhalten werden, propagiert Berger. Erschwerend komme hinzu, dass momentan der dritte «Beitragszahler», der Kapitalmarkt, schwächeln würde und dies wohl noch länger tun werde. Die Versicherer seien daher gezwungen, langfristig realistische Produkte anzubieten.

Die Anhebung des Rentenalters ist eine mögliche Lösung

Die «jungen Alten» sind laut Berger erfahren, begütert und begabt. Dieses Potential gelte es künftig noch mehr in Wirtschaft und Gesellschaft einzubringen. Das Rentenalter anzuheben sei deshalb eine mögliche Lösung um die Altersvorsorge weiterzuentwickeln.

Es braucht neue Lebenszyklus-Modelle

Eine angepasste Lebensplanung von «Midlife Boomern», heute also etwa 50-jährigen Baby Boomern, die zahlenmässig stark und in der Regel gut ausgebildet seien, könne eine weitere flankierende Lösung sein, wie Berger meinte. Sie könnten neue Weichen für ihr zukünftiges, noch rund 20 Jahre dauerndes Berufsleben stellen. Eine neue Laufbahnplanung für die zweite Lebenshälfte bedinge allerdings auch eine Weiterentwicklung des Bildungssystems. Es könne nämlich normal werden, mit 50 einen neuen Beruf zu erlernen. Sollten die heute Geborenen etwa 100 Jahre alt werden und davon vielleicht 60 Jahre lang arbeiten, würde dies in jedem Fall neue Lebenszyklus-Modelle voraussetzen, erklärte Berger.

Berger mahnt Versicherer zu neuer Flexibilität

Der Schweizerische Versicherungsverband engagiere sich stark in der Debatte um die Zukunft der Altersvorsorge, wie Berger unterstrich, welche mit dem Bericht des Bundesrates über die Zukunft der 2. Säule neu lanciert worden sei. Auch der SVV wolle seinen Beitrag leisten. Sein Ziel sei es, mit der Expertise der Versicherer an tragfähigen Lösungen mitzuarbeiten. Dazu gehöre auch sein «Asset», genannt «Big Data», bzw. sein immenser, täglich wachsender Datenschatz. Dieser werde einer der wichtigsten Wachstumstreiber in Zukunft.

Gleichzeitig müssten sie aber besser kommunizieren, ist Berger überzeugt. Sie müssten nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden. Erst dann hätten die Versicherer Chancen, eine Mehrheit für ihre Anliegen zu gewinnen. Dabei mahnte er zu neuer Flexibilität statt Nostalgie, Ideologie oder an alten Privilegien festzuhalten. Die Versicherer müssten als ein vertrauensvollerer und glaubwürdigerer Partner im Lösungsprozess wahrgenommen werden – wobei sie in dieser Hinsicht nicht unverbesserlich gut seien.

Ob Ihnen das allerdings gelingen werde, hänge nicht nur von ihnen sondern auch von der Politik und von den Bürgern ab, fasste Berger zusammen.

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