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Das Wirtschaftswachstum dürfte sich weltweit und nachhaltig verlangsamen

Freitag, 23.11.2018

Die globale Konjunktur dürfte sich 2019 und 2020 verlangsamen. Für die Schweiz bedeutet das ein schwächeres Export- und Wirtschaftswachstum. Die OECD warnt zudem vor Überalterung und sinkender Produktivität.

Auch wenn das globale Wirtschaftswachstum solide bleibt, so haben doch viele Ökonomen ihre Prognosen für die bedeutenden Volkswirtschaften herabgestuft. Sie sehen den Wachstumszenit überschritten und warnen vor zunehmenden Risiken, etwa durch Handelskonflikte oder eine Verschärfung der finanziellen Bedingungen. Die OECD veranschlagt das globale Wirtschaftswachstum für 2019 in ihrer aktuellen Prognose noch mit 3.5%, statt wie im vergangenen Mai mit 3.7%. Auch für 2020 rechnet sie mit 3.5% Wachstum.

Handelskriege, stärkerer Dollar und höhere Zinsen gefährden das Wachstum

Die Arbeitslosenrate befindet sich in vielen Ländern auf einem Rekordtief. Und langsam zeigt sich auch ein Fachkräftemangel. Die ‘sanfte Landung’ vieler Volkswirtschaften könnte allerdings durch zunehmende Risiken in anderen Bereichen gefährdet werden, befürchtet die OECD. So hätten Handelswachstum und Investitionen aufgrund höherer Tarife abgenommen. Höhere Zinsen und ein erstarkender US-Dollar haben in den Schwellenländern zudem zu einem Kapitalabfluss geführt, was ihre Währungen schwächt. Auch in den OECD-Ländern nimmt die monetäre und steuerliche Stimulierung nach und nach ab.

Die Aussichten für 2019 reflektieren deutlich die sinkenden Wachstumsaussichten, insbesondere für die Schwellenländer wie die Türkei, Argentinien und Brasilien. Die weitere Wachstumsverlangsamung 2020 reflektiert hingegen die Entwicklungen in den entwickelten Ländern, wo sinkender Handel sowie weniger steuerliche- und monetäre Stimulierung spürbar werden.

Globales Wachstum und Investitionen könnten ab 2021 deutlich zurückgehen

Angel Gurría, der OECD-Generalsekretär, ruft die Politik dazu auf, dem internationalen Handelssystem Vertrauen einzuflössen und Reformen durchzuführen, wodurch das Wachstum gefördert und der Lebensstandard der Menschen – insbesondere der Ärmsten – verbessert werden könnten. 

Gemäss den OECD-Prognosen haben die Handelsspannungen bereits Wachstum gekostet; sollten die USA sämtliche chinesischen Produkte mit Zöllen in Höhe von 25% belegen, was die Chinesen mit ähnlichen Zöllen erwidern würden, könnten die weltwirtschaftlichen Aktivitäten weiter zurückgehen. Das globale Wachstum könnte dann bis 2021 um 0.5% sinken, wobei es in den USA um 0.8% und in China um 1.0% zurückgehen könnte. Grössere Unsicherheit würde die negativen Auswirkungen noch verstärken und letztlich weltweit in weniger Investitionen resultieren.

Waren-Transportwachstum hat sich innerhalb eines Jahres halbiert

Der Bericht zeigt weiter auf, dass das jährliche Transportwachstum an Containerhäfen, was für rund 80% der globalen Warentransporte steht, von jährlich 6% im Jahr 2017 auf mittlerweile unter 3% gefallen ist. 

Das chinesische Wirtschaftswachstum hat sich im Verlauf von 2018 weiter verlangsamt. Dies aufgrund strengerer Bedingungen für lokale Regierungsinvestitionen, einer strafferen Regulierung für sogenannten ‘Schattenbanken’ bzw. Finanzintermediäre ausserhalb des formalen Bankensektors, sowie neuer Zölle für chinesische Importe in die USA. Eine stärkere Wachstumsverlangsamung in China würde das globale Wachstum signifikant beeinträchtigen, insbesondere wenn das Vertrauen der Finanzmärkte dadurch geschwächt würde, mahnt die OECD.

Monetäre Stimulierung und eine Lockerung der Finanzkonditionen seitens der Zentralbanken könnten der Wachstumsverlangsamung zwar entgegenwirken und zu einer ‘sanften Landung’ beitragen, so die OECD weiter. Die Risiken für die finanzielle Stabilität könnten dadurch aber ebenfalls zunehmen.

Handlungsspielraum der Politik muss erhalten bleiben

Durch die sehr tiefen Zinsen in vielen Ländern, insbesondere in der Eurozone, sowie einer historisch hohen privaten wie öffentlichen Verschuldung gemessen am Bruttoinlandprodukt, ist der Handlungsspielraum der Politik im Falle einer globalen Wachstums- oder Finanzkrise beschränkt, warnt die OECD. Die Möglichkeit, im Falle einer Krise die Nachfrage durch Steuer- und Ausgabenpolitik zu stimulieren, sollte unbedingt erhalten bleiben. Auch wenn der Spielraum für die Steuer- und Geldpolitik beschränkt sei, wären konzertierte Aktionen sehr viel effektiver als die isolierten Massnahmen jedes einzelnen Landes. Solche Aktionen sollten sich auf wachstumsfördernde Massnahmen fokussieren, etwa durch Investitionen in die physische und digitale Infrastruktur, und den Konsum der weniger Bemittelten anheizen.

Laut Laurence Boone, der OECD Chefökonomin, gibt es derzeit nur wenige Hinweise darauf, dass die Wachstumsverlangsamung ernster ausfallen werde als bisher projektiert. Die Risiken seien jedoch erheblich genug, um sich für allfällige Stürme zu rüsten. Dazu brauche es die Kooperation für eine gemeinsame Steuerpolitik auf Euro- wie auch globaler Ebene.

Sorgen der Arbeitnehmer sollten adressiert werden

Die globale Wirtschaft zu unterstützen, bedeute auch, auf die Bedenken der Bürger einzugehen, die sich um nicht erfolgte Lohnerhöhungen, um ihren Lebensstandard und ihre zukünftigen Aussichten sorgen würden, so Boone weiter. Die Konkurrenz zu schüren, um die Geschäftsdynamik dadurch anzuheizen, könne helfen, die Position der Arbeiter zu stärken sowie Konsumentenpreise zu senken. Wichtig sei auch, in ihre Fähigkeiten zu investieren; es würde die Produktivität sowie das Einkommen der Menschen erhöhen und die Ungleichheit reduzieren.

Digitalisierung spaltet die Arbeitnehmerschaft

Ein Sonderkapitel zeigt zudem auf, wie die Digitalisierung die Arbeitnehmerschaft spalte. So würden ‘High-skill und Low-routine’ Jobs geschaffen, und ‘Low-skill und High-routine’ Arbeitsstellen würden weiter zunehmen, wodurch die Ungleichheit weiter wachse. Eine Stärkung des Produktewettbewerbs könne nicht nur zur Verbreitung neuer Technologien führen, wodurch das Produktivitätswachstum gestärkt würde, sondern würde auch helfen, den Output und Effektivitätszuwachs in Lohn umzumünzen.

Einnahmen der Sportverbände verzerren das Schweizer Wirtschaftswachstum

Die Schweizer Wachstumsraten werden gemäss OECD durch die Einnahmen der ansässigen internationalen Sportverbände, etwa dem Fussballverband FIFA und dem Olympischen Komitee IOC, verzerrt. Finden in der Schweiz, wie 2018, Grossereignisse statt, wirkt sich das positiv aufs BIP aus, ohne dass der hiesige Werkplatz davon profitiert. Das bedeutet allerdings auch, dass die von der OECD prognostizierte konjunkturelle Abkühlung für die Schweiz, auf rund die Hälfte des Jahreswachstums, nicht mit einer Krise gleichgesetzt werden kann.

Allerdings ist die Industrie, wie die OECD schreibt, der momentan wichtigste Wachstumstreiber der Schweizer Wirtschaft. Mit der Abschwächung der Weltwirtschaft, vor allem dem Wachstum in den Euroländern, dürfte das Exportwachstum ebenfalls nachlassen. Zulegen soll dafür der private Konsum – als Folge von sinkender Arbeitslosigkeit, leicht steigenden Löhnen und einer tief bleibenden Inflation. Laut Prognose wird sich das Preisniveau in der Schweiz künftig nur unwesentlich nach oben bewegen und die Teuerung selbst im Jahr 2020 nicht mehr als 1.1% betragen. Dass sie im laufenden Jahr um 1.0% zulegen soll, liegt demnach an den erhöhten Ölpreisen.

Tiefere Produktivität und zunehmende Überalterung verlangsamen das Wachstum

Insgesamt rechnet die OECD künftig aber sowohl für die Schweiz als auch für die Weltwirtschaft mit deutlich tieferen Wachstumsraten als in der Vergangenheit. Ein Grund dafür ist eine gesunkene Produktivität, ein anderer die zunehmende Alterung.

Für die Schweiz schlägt die OECD vor allem zwei Massnahmen vor: eine Erhöhung des Rentenalters, auch um die Finanzierung des Rentensystems zu sichern, sowie eine Senkung der Kinderbetreuungskosten sowie ein Ausbau des entsprechenden Betreuungsangebots. Damit könne die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt erhöht werden.

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