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Der Bundesrat schickt den Vorentwurf zur Reform der Schweizer Altersvorsorge in die Vernehmlassung

Mittwoch, 20.11.2013

Der Bundesrat hat den Vorentwurf zur Reform der Altersvorsorge verabschiedet und unterbreitet ihn Kantonen, Verbänden und Parteien zur Stellungnahme. Die Schweizer Altersvorsorge soll damit umfassend erneuert werden.

Der Bundesrat hat die Reform Altersvorsorge 2020 bzw. den Vorentwurf zur Reform der Altersvorsorge verabschiedet und in die Vernehmlassung geschickt. Dank der Reform der Altersvorsorge soll das Leistungsniveau erhalten bleiben, die 1. und die 2. Säule sollen langfristig ausreichend finanziert und die Leistungen von AHV und beruflicher Vorsorge den geänderten Bedürfnissen angepasst sein. Dies etwa beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, wie das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) mitteilt.

Kantone, Verbände und Parteien können bis 31. März 2014 zum Vorentwurf Stellung nehmen. Nach der Auswertung der Eingaben will der Bundesrat dem Parlament bis Ende 2014 die Botschaft zur Reform Altersvorsorge 2020 vorlegen.

Referenzalter für den Rentenbezug wird in beiden Säulen harmonisiert

Das Referenzalter für den Bezug der Altersrenten der AHV und der beruflichen Vorsorge liegt für Frauen und Männer neu bei 65 Jahren. Das Rentenalter der Frauen wird innerhalb von 6 Jahren von 64 auf 65 Jahre erhöht, pro Jahr also um 2 Monate. Laut BSV bewirkt die längere Erwerbstätigkeit höhere Leistungen der beruflichen Vorsorge; zusätzlich werde mit gezielten Massnahmen die Vorsorge von teilzeitbeschäftigten Personen verbessert, was zur Hauptsache Frauen zugutekomme.

Rückzug aus edem Erwerbsleben soll flexibilisiert werden

Der Zeitpunkt des Rückzugs aus dem Erwerbsleben kann neu ab 62 Jahren frei gewählt werden. Pensionskassenleistungen vor 62 Jahren sind nicht mehr möglich, ausser bei betrieblichen Restrukturierungen, im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder für kollektive Frühpensionierungslösungen wie etwa in der Baubranche.

Damit soll die gleitende Pensionierung unterstützt werden. So soll es möglich sein, Teilrenten in beliebiger Höhe zwischen 20% und 80% zu beziehen und dafür die Erwerbstätigkeit entsprechend zu reduzieren. Der Anteil kann erstmals frei gewählt und später geändert werden. Der Anspruch auf Teilrenten gilt für die 1. und die 2. Säule. Mit 70 Jahren muss jedoch die ganze Rente bezogen werden.

Vorbezüge führen zu finanziellen Einbussen

Wer die Rente vor dem Referenzalter bezieht, muss eine Kürzung in Kauf nehmen, mit der ausgeglichen wird, dass die Rente bis zu drei Jahre länger bezogen wird. Wer die Rente nach 65 Jahren bezieht, erhält umgekehrt einen Zuschlag, der den kürzeren Rentenbezug wettmacht. Neu soll es auch möglich sein, mit weiteren Beitragszahlungen nach 65 Jahren die AHV-Rente bis zum gesetzlichen Rentenmaximum zu verbessern, beispielsweise um frühere Beitragslücken auszugleichen.

Weil Personen mit langer Erwerbsdauer und tiefen bis mittleren Einkommen im Durchschnitt eine kürzere Lebenserwartung haben, sollen ihre AHV-Renten beim Vorbezug weniger stark oder gar nicht gekürzt werden. Dabei wird berücksichtigt, ob und wie viele AHV-Beitragsjahre zwischen 18 und 21 Jahren vorhanden sind. Die Einkommensgrenze wird bei 50 000 Franken angesetzt; so könnten bis zu 5 000 Personen pro Jahr bei einer allfälligen Frühpensionierung unterstützt werden. Davon seien 70% bis 80% Frauen.

Mindestumwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge sinkt

Der Mindestumwandlungssatz wird der längeren Lebenserwartung und den tieferen Renditen der Pensionskassen angepasst. Er soll innerhalb von vier Jahren schrittweise von 6,8% auf 6,0% sinken. Bereits laufende Renten sind davon nicht betroffen.

Damit die Anpassung des Umwandlungssatzes nicht zu einer Reduktion der Renten führt, wird dafür gesorgt, dass die Sparguthaben der Versicherten steigen. Zu diesem Zweck sollen die Altersgutschriften erhöht und der Koordinationsabzug gesenkt und anders definiert werden.

Damit die Kosten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die berufliche Vorsorge nicht steigen, soll die Höhe der Altersgutschriften anders gestaffelt werden. Die geänderte Berechnung des Koordinationsabzugs bewirke zusätzlich, dass mehr Teilzeitbeschäftigte und Personen mit mehreren Arbeitgebern obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert seien, wie das BSV erklärt. Ein grosser Teil davon seien Frauen.

Übergangsregelung soll ältere Versicherte absichern

Eine Übergangsregelung mit Einmalzahlungen des Sicherheitsfonds soll gewährleisten, dass auch die BVG-Renten älterer Versicherter, denen die Zeit für die zusätzliche Kapitalbildung nicht mehr reiche, gegenüber heute erhalten bleibe, so das BSV.

Mindestquote der Versicherer wird erhöht

Die Aufteilung des Ertrags aus dem Geschäft mit der 2. Säule zwischen den Versicherten und den Aktionären von Versicherungsgesellschaften müsse auf einem fairen Schlüssel beruhen, wie das BSV erklärt. Darum werde die Mindestquote für die Beteiligten der Versicherten am Gewinn des Versicherungsgeschäfts erhöht.

In der ersten vorgeschlagenen Variante beträgt sie neu 92% oder 94% statt 90% wie heute. In der zweiten Variante werden unterschiedliche Sätze zwischen 90% und 94% angewendet, je nachdem, ob die Versicherungsgesellschaft auch das Altersrisiko oder nur die Risiken Tod und Invalidität abdeckt.

Zu hohe Risikoprämien für die Leistungen bei Invalidität und Tod werden von der FINMA nicht akzeptiert. Dafür dürfen die Versicherungsgesellschaften für Pensionierungsverluste, die unter anderem wegen des zu hohen Mindestumwandlungssatzes entstehen, separate Prämien fordern.

Offenlegungsbestimmungen und Transparenzanforderungen steigen

Massnahmen zur Verbesserung der Transparenz und der Aufsicht sind gemäss BSV Voraussetzung dafür, dass die Versicherten Vertrauen in ihre Pensionskassen haben könnten. Die Offenlegungsbestimmungen für Versicherungsgesellschaften würden deshalb verbessert und die Transparenzanforderungen für Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen angepasst.

Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge sinkt massiv

Die Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge soll von heute gut 21 000 auf rund 14 000 Franken gesenkt werden. Damit würden rund 90% der Arbeitnehmenden obligatorisch eine zweite Säule haben, fast 150 000 mehr als heute, wie das BSV ausführt. Das seien vor allem Teilzeitbeschäftigte und Personen mit mehreren Arbeitgebern, heute vorwiegend Frauen. Weil auch der Koordinationsabzug anders berechnet werde, steige der minimale versicherte Lohn in der obligatorischen beruflichen Vorsorge von heute rund 3 500 auf 10 530 Franken. Das ermögliche den Aufbau einer adäquaten Vorsorge für Alter, Invalidität und Tod.

Obligatorische berufliche Vorsorge kann weitergeführt werden

Personen, die nach dem 58. Altersjahr entlassen werden und aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausscheiden, können die Versicherung freiwillig weiterführen und die Beiträge mindestens zwei Jahre lang von den Steuern abziehen.

Personen, die ihr Altersguthaben in einer Freizügigkeitseinrichtung haben, ebenfalls häufig ältere Arbeitslose, können dieses Guthaben der Stiftung Auffangeinrichtung BVG übertragen. So können sie bei der Pensionierung ebenfalls eine lebenslange Rente anstatt nur das Freizügigkeitsguthaben beziehen.

AHV-Leistungen werden stark gekürzt

Die Leistungen der AHV an Hinterlassene werden so umgestaltet, dass sie nur Personen mit Betreuungspflichten zugutekommen. Kinderlose Witwen haben darum nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren keinen Anspruch mehr auf eine Witwenrente der 1. Säule.

Die Witwenrente wird von 80% auf 60% einer Altersrente gesenkt, die Waisenrenten im Gegenzug von 40% auf 50% angehoben. Renten, die bei Inkrafttreten der Reform bereits laufen, werden nicht aufgehoben oder gesenkt. Auch der Anspruch auf Witwenrenten der obligatorischen 2. Säule wird nicht geändert.

Privilegien von Selbständigerwerbenden werden abgeschafft

In der AHV soll Beitragsgerechtigkeit geschaffen werden. Dies indem die Beitragssätze von Selbständigerwerbenden und Arbeitnehmenden vereinheitlicht werden. Die sinkende Beitragsskala für Selbständige wird abgeschafft. Das Privileg von Selbständigerwerbenden, dass die Hälfte der Summe von Einkäufen in die 2. Säule vom AHV-pflichtigen Einkommen abgezogen werden kann, wird gestrichen.

Finanzierungslücke in der AHV wird mit Mehrwertsteuern kompensiert

Trotz den Anpassungen bei den Leistungen benötigt die AHV laut BSV eine Zusatzfinanzierung. Dafür soll die Mehrwertsteuer in zwei Schritten um maximal 2 Prozentpunkte angehoben werden. Die erste Erhöhung um einen Prozentpunkt soll bei Inkrafttreten der Reform erfolgen, die zweite Erhöhung erst dann, wenn es die finanzielle Lage der AHV tatsächlich erfordert. Dies ist gemäss BSV voraussichtlich gegen 2030.

Mit der Wahl der Mehrwertsteuer werde erreicht, dass die zusätzliche finanzielle Last auf die gesamte Bevölkerung verteilt werde. So würden nicht nur die Aktiven und die beschäftigungsintensive Wirtschaft die Kosten tragen. Die Schweizer Mehrwertsteuersätze blieben im internationalen Vergleich nachwievor sehr tief. Nur sehr wenige Länder wendeten noch tiefere Steuersätze an, wie das BSV betont.

Interventionsmechanismus soll Liquidität der AHV schützen

Für den Fall, dass die AHV in finanzielle Schwierigkeiten gerät und die Gegenmassnahmen der Politik nicht rechtzeitig oder nicht genügend wirken, soll ein Interventionsmechanismus greifen, der die Liquidität der AHV schützt. Das Primat der politischen Entscheidung bleibe aber erhalten. Wenn absehbar sei, dass der AHV-Ausgleichsfonds unter 70% einer Jahresausgabe fallen werde, müsse der Bundesrat dem Parlament Gegenmassnahmen vorschlagen. Falls der AHV-Fonds trotzdem unter 70% falle, würden der Beitragssatz erhöht und die Renten nur noch teilweise angepasst, wie das BSV ausführt.

Bundesbeitrag an die AHV-Ausgaben wird relativiert

Wegen der demographischen Entwicklung macht der Bundesbeitrag an die AHV einen immer grösseren Anteil am Bundeshaushalt aus. Eine teilweise Entflechtung der AHV-Ausgaben und des Bundesbeitrags sorge dafür, dass der finanzielle Handlungsspielraum des Bundes erhalten bleibe, so das BSV.

Der Bundesbeitrag in Höhe von 19,55% der AHV-Ausgaben werde bei Inkrafttreten der Reform in zwei Hälften aufgeteilt. Die eine Hälfte folge weiterhin der Ausgabenentwicklung der AHV, die andere Hälfte neu der Entwicklung der Mehrwertsteuereinnahmen.

Wenn die Entschuldung der IV abgeschlossen sei, könne zudem ein Teil des Bundesbeitrags an die IV zur AHV transferiert werden, so das BSV weiter. Damit werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die finanzielle Entflechtung die IV entlaste, die AHV hingegen belaste.

Reform soll AHV bis 2030 stark entlasen

Die Reform soll die AHV um rund 1,4 Milliarden Franken im Jahr 2030 entlasten. Dadurch reduziere sich der Finanzierungsbedarf der AHV im Jahr 2030 von 8,6 auf 7,2 Milliarden Franken, wie das BSV erklärt. Die Rechnung des Bundes werde per 2030 um 730 Millionen Franken entlastet.

Anhebung der Beiträge in der 2. Säule sollen Kassen entlasten

Die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8% auf 6,0% reduziere den Bedarf an Deckungskapital zur Finanzierung der künftigen Altersrenten, bezogen auf das Jahr 2030, um etwa 2 Milliarden Franken, wie das BSV vorrechnet. Die Kompensationsmassnahmen und Leistungsverbesserungen erforderten auf der anderen Seite zusätzliche Beiträge von knapp 3,1 Milliarden Franken.

Altersvorsorge-Reform macht Gesetzesanpassungen nötig

Die Reform der Altersvorsorge macht verschiedene Gesetzesänderung notwendig. Sie erfordert aber auch einen separaten Bundesbeschluss für die Erhöhung der Mehrwertsteuersätze, die in der Verfassung verankert sind.

Damit der «gesamtheitliche Ansatz» der Reform gewahrt bleibe, will der Bundesrat alle notwendigen Gesetzesänderungen in einem einzigen Rechtserlass zusammenfassen und diesen mit der Verfassungsänderung verbinden.
Damit werde sichergestellt, dass es nicht möglich sei, die Änderungen bei der Altersvorsorge anzunehmen, deren Finanzierung aber zu verweigern oder umgekehrt, die Reformen abzulehnen, gleichzeitig aber die zusätzlichen Mittel einzufordern. Das schaffe letztlich Vertrauen in die Reform, so das BSV.

Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen wurden ausgelotet

Parallel zum Vorentwurf der Reform Altersvorsorge 2020 hat der Bundesrat einen Bericht zur Gesamtsicht auf die Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen verabschiedet. Der Bericht erfüllt laut BSV die Forderungen verschiedener Postulate aus dem Parlament. Er beschreibe das geltende Finanzsystem der AHV, der Invalidenversicherung, der Ergänzungsleistungen, der beruflichen Vorsorge, der Krankenversicherung, der Unfallversicherung, der Erwerbsersatzordnung, der Arbeitslosenversicherung sowie der Familienzulagen und mache Aussagen zur möglichen Entwicklung im Projektionszeitraum 2013 bis 2035. Die demographischen Szenarien und ökonomischen Eckwerte, die den Projektionen zugrunde lägen, würden darin ausführlich beschrieben.

Bei den Ergänzungsleistungen besteht Reformbedarf

Der Bundesrat hat zudem den Bericht über die Kostenentwicklung und den Reformbedarf bei den Ergänzungsleistungen (EL) verabschiedet. Dieser gibt laut BSV Aufschluss über die Gründe der Kostensteigerung und zeige Möglichkeiten auf, wie das EL-System optimiert werden könne.

Der Anteil Pensionierter, die zusätzlich zur AHV-Rente auf EL angewiesen seien, sei mit rund 12% seit Jahren konstant, so das BSV. Die Ausgaben für die EL seien jedoch kontinuierlich gestiegen. Das habe zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen Anlass gegeben.

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