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Die Erholung der Schweizer Wirtschaft lässt noch etwas auf sich warten

Montag, 15.06.2020

Nach einem starken Einbruch der Wirtschaftsleistung im 1. und 2. Quartal 2020 zeichnet sich nun eine Erholung ab. Die Credit Suisse prognostiziert für 2020 einen BIP-Einbruch um 4% (-3.5%) und für 2021 ein Wachstum um 3.5%.

Im ersten Quartal 2020 hat das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz im Vergleich zum Vorquartal um 2.6% abgenommen. Dies ist der stärkste Einbruch seit Beginn der Erhebung im Jahr 1980. Betriebsschliessungen sowie die generelle Verunsicherung haben zu historischen Rückgängen in den Bereichen Gastronomie und Transport, aber auch im Gesundheitswesen und in grossen Teilen des Detailhandels geführt. Alles in allem gingen die privaten Konsumausgaben laut Credit Suisse um 3.5% zurück. Die Konsumentwicklung im ersten Quartal bestätige ihre Einschätzung, wonach die Schweizer Haushalte während des Lockdowns rund 20% weniger ausgegeben haben als in normalen Zeiten, wie sie sagt.

Konsumeinbruch dürfte im 2. Quartal doppelt so hoch ausfallen

Weil der Grossteil der Lockdown-Tage auf die Monate April und Mai entfallen ist, dürfte der Konsumeinbruch im zweiten Quartal sogar doppelt so hoch ausfallen, so die Grossbank weiter. Umgekehrt bedeute der zurückhaltende Konsum infolge des Lockdowns aber auch, dass viele Haushalte in dieser Phase hätten Geld auf die Seite legen können. «Die finanzielle Verfassung der meisten Haushalte präsentierte sich zum Zeitpunkt der Lockerungsmassnahmen Ende Mai somit wesentlich besser, als dies der Wirtschaftseinbruch historischen Ausmasses hätte erwarten lassen», folgert die Credit Suisse. 

Sparquote ist auf einen historischen Höchststand gestiegen

Der Einkommensverlust aufgrund von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder anderen Arbeitseinschränkungen wird gemäss ihren Berechnungen nicht vollständig durch staatliche Zuwendungen oder Zahlungen der Arbeitslosenversicherung kompensiert, weshalb das Einkommen eines durchschnittlichen Haushalts um knapp 5% tiefer sei als zuvor. Indessen machten die zusätzlichen Ersparnisse aus der Lockdown-Zeit diesen Verlust über alle Haushalte hinweg mehr als wett. Die Sparquote, welche die Ersparnisse ins Verhältnis zum Einkommen setzt, sei dementsprechend auf einen historischen Höchststand gestiegen, so die Credit Suisse.

Konsumenten dürften 5,5 Milliarden Franken wieder in den Umlauf bringen

Dabei sei der aktuelle Anstieg der freiwilligen Sparquote von rund 13% auf 22% wohl viel höher als beabsichtigt ausgefallen. Die Credit Suisse erwartet daher, dass die Haushalte in den kommenden Monaten einen beträchtlichen Teil ihrer zusätzlichen Ersparnisse wieder ausgeben werden. Konkreter schätzt sie, dass die Konsumenten zwei Drittel der akkumulierten Mittel, also rund 5,5 Milliarden Franken, wieder in den Umlauf bringen werden und damit rund die Hälfte des Konsumeinbruchs wieder wettgemacht werde.

Indikatoren deuten auf eine Erholung der Wirtschaft hin

Der Anstieg des Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Dienstleistungssektor im Mai liefert für die Credit Suisse einen Anhaltspunkt dafür, wie rasch sich die wirtschaftliche Lage mit der Aufhebung der Beschränkungen verbessert habe. Rund zwei Wochen nach dem zweiten Lockerungsschritt habe der Dienstleistungs-PMI knapp die Hälfte seines historisch tiefen Einbruchs von März und April 2020 wieder wettgemacht. Alternative Indikatoren zum Zustand der Wirtschaft unterstreichen gemäss Credit Suisse dieses positive Bild: Gemäss Analysen des Projekts Monitoring Consumption Switzerland seien die Umsätze mit Bankkarten Ende Mai schon deutlich überdurchschnittlich gewesen und hätten mehr als doppelt so hoch wie am Tiefpunkt während des Lockdowns im April gelegen – und dies selbst dann, wenn die aus hygienischen Bedenken geringere Verwendung von Bargeld berücksichtigt werde.

Gleichzeitig habe sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben Ende Mai gemäss Mobilitätsdaten der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich etwa zur Hälfte wieder normalisiert gehabt, und laut der Website TrendEcon deuteten die Suchanfragen bei Google auf eine ähnlich konsumfreundliche Stimmung hin wie vor der Corona-Krise. Die «Fieberkurve für die Schweizer Wirtschaft», die Forscher der Universität Neuenburg täglich mittels Finanzmarktdaten und Newsmeldungen messen würden, habe derweil wieder tiefer als vor dem Lockdown notiert und ähnliche Werte wie Anfang März erreicht.

Trotz dieser ersten Erholung ist der Konsum noch von der Normalität entfernt

Der Dienstleistungs-PMI liegt gemäss Credit Suisse weiterhin deutlich unter der Wachstumsschwelle, was auf nach wie vor sinkende Umsätze hindeute. Zudem sei davon auszugehen, dass der zweite Teil der Erholung deutlich langsamer vonstattengehen werde. Denn erstens sei das physische Angebot in den Läden und Geschäften nach wie vor beschränkt, weil die Corona-Massnahmen Platz benötigten. Zweitens seien die Konsumenten verunsichert: Sowohl die Angst vor Ansteckungen als auch diejenige um den Arbeitsplatz würden die Stimmung belasten. Drittens verlangsame sich die Zuwanderung in die Schweiz als Folge der geschlossenen Grenzen und weniger Neueinstellungen.

Die Credit Suisse rechnet für das gesamte Jahr 2020 mit einer Nettozuwanderung von noch 35’000 bis 40’000 Personen (nach 53’000 im Vorjahr). Anders als in früheren Krisen (Finanzkrise, Eurokrise, Frankenschock) erodiere damit eine wichtige Konsumstütze. Unter dem Strich geht sie daher von einem Rückgang des privaten Gesamtkonsums im laufenden Jahr um 2.1% aus. 

Pharmasektor stützt die Exportentwicklung

Wie vorteilhaft das hohe Gewicht des Pharmasektors (50% der Exporte) und dessen geringe kurzfristige Konjunktursensitivität für die Exportentwicklung ist, verdeutlichen laut Credit Suisse die Aussenhandelszahlen für das erste Quartal. So haben die Warenexporte gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) um 3.4% zugenommen, obwohl die Exporte der konjunktursensitiven Industriebranchen deutlich nachgegeben haben. In den Aussenhandelszahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung spiegeln sich die markanten Unterschiede nach Branchen eindrücklich wieder: Die Uhrenexporte sind regelrecht eingebrochen, und die Ausfuhren der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) sind im April um beinahe ein Fünftel geringer gewesen als noch zu Beginn des Jahres.

MEM-Ausfuhren lassen in Europa auf eine Stabilisierung hoffen

Der Tiefpunkt für die Exporteure von Investitionsgütern ist gemäss Credit Suisse bald erreicht. So seien im April die MEM-Ausfuhren in die Länder, welche die Corona-Restriktionen damals bereits hätten lockern können, wie beispielsweise China, Hongkong oder Japan, allesamt wieder gestiegen. Dies lasse auch auf eine baldige Stabilisierung in Europa hoffen, so die Credit Suisse. Die Verzögerung, mit der das Corona-Virus und der Lockdown die USA erreicht hätten, lasse hingegen befürchten, dass sich die Nachfrage nach Schweizer MEM-Exporten dort in den kommenden Monaten noch weiter verringern könne.

Situation für die Uhrenindustrie dürfte noch länger problematisch bleiben

Zudem dürfe die Situation für die Uhrenindustrie, die stark von der internationalen Konsumentenstimmung abhängig ist, noch länger problematisch bleiben, räumt die Credit Suisse ein. Der schlimmste Einbruch werde wohl in den meisten Exportbranchen bald vorüber sein, doch der Weg zur Normalität sei noch lang.

Exportvolumen 2020 dürfte insgesamt um 6.5% tiefer ausfallen als im Vorjahr

Es sei davon auszugehen, dass der globale Handel noch länger unter der gedämpften Nachfrage (vor allem nach Investitionsgütern) und eingeschränkten Transportkapazitäten leiden werde, so die Credit Suisse. Insbesondere die interkontinentale Mobilität werde wohl noch länger eingeschränkt bleiben, weshalb sie erwartet, dass das Exportvolumen 2020 trotz solider Pharmaexporte um 6.5% tiefer ausfallen wird als im Vorjahr.

BIP-Entwicklung gleicht einem schiefen V

Mit der Lockerung des Lockdowns beginne sich die Wirtschaft unmittelbar zu erholen. Der weitere Verlauf dieser Erholung werde nach einem anfänglichen Aufbäumen aber wohl eher schleppend verlaufen, sagt die Credit Suisse. Die Entwicklung des BIP werde deshalb einem schiefen V ähneln.

Credit Suisse rechnet für 2020 mit einer Schrumpfung der Wirtschaft um 4%

Wegen der historischen Einzigartigkeit der Corona-Krise sei die Prognoseunsicherheiten allerdings ausserordentlich hoch, merkt die Credit Suisse an. Sie bleibt angesichts der immer zahlreicheren Silberstreifen am Horizont bei ihrer im Vergleich zu anderen Instituten optimistischen Einschätzung für dieses Jahr. Insbesondere die bisher solide Entwicklung der Pharmaexporte, die Wirksamkeit der staatlichen Massnahmen zur Stützung der Einkommen und zur Verhinderung von Unternehmenskonkursen sowie die Bodenbildung der PMI stimmen sie zuversichtlich. Auch sie geht aber davon aus, dass die Erholung 2021 nicht kräftig genug sein wird, um das BIP vor dem Jahresende 2021 wieder auf das Vorkrisenniveau steigen zu lassen. Konkret prognostiziert sie für 2020 einen BIP-Einbruch um 4% (Prognose 17.4. 2020: -3.5%) und für 2021 ein Wachstum um 3.5%.

Die ausführliche Analyse findet sich unter diesem Link.

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