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Die jährliche Umverteilung von den aktiven Versicherten zu den Rentnern setzt sich fort

Dienstag, 14.05.2019

Pierre Triponez, Präsident OAK BV

Schweizer Vorsorgeeinrichtungen erzielten 2018 eine Netto-Vermögensrendite von -2.8%. Die Deckungsgrade fielen im Schnitt auf 106.4%. Der Anteil der Unterdeckungen nahm deutlich zu. Die OAK BV rechnet mittelfristig mit weiteren Rückschlägen.

Schweizer Vorsorgeeinrichtungen litten im vergangenen Jahr unter den mageren Anlageerträgen. Insbesondere die schlechten Aktienperformance gegen Ende 2018 führte zu einer gesamthaft negativen durchschnittlichen Netto-Vermögensrendite von -2.8% (gegenüber +7.7% im Vorjahr). Entsprechend reduzierten sich die ausgewiesenen Deckungsgrade im Durchschnitt auf 106.4% (gegenüber 112.2% im Vorjahr). Der Anteil der Unterdeckungen hat sich deutlich auf 13.6% erhöht (gegenüber 1.2% im Vorjahr).

Die künftigen Zinsversprechen bleiben mit durchschnittlich 2.69% über dem technischen Zinssatz, der bei durchschnittlich 2.10% liegt. Die jährliche Umverteilung von den aktiven Versicherten und Arbeitgebern zu den Rentenbezügern setzt sich somit fort und bleibt mit 0.6% der gesamten Vorsorgekapitalien resp. aktuell rund 5.1 Milliarden Franken substanziell, wie die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) im Rahmen der Vorstellung ihres siebten Tätigkeitsberichtes erklärt.

Verzinsung der Vorsorgekapitalien der aktiven Versicherten lag bei 1.46% bzw. 1.62%

Das obligatorische BVG-Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG war im Berichtsjahr mit mindestens 1.00% (wie im Vorjahr) zu verzinsen. Die Verzinsung der Vorsorgekapitalien der aktiven Versicherten betrug im Schnitt 1.46% bei den Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung (gegenüber 2.09% im Vorjahr) sowie 1.62% bei den Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie (gegenüber 2.64% im Vorjahr).

Netto‐Vermögensrendite der Vorsorgeeinrichtungen lag bei -2.8% bzw. -2.6%

Die durchschnittliche erwirtschaftete Netto‐Vermögensrendite der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung betrug im Jahr 2018 -2.8% (gegenüber 7.7% im Vorjahr) und bei den öffentlich‐rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie -2.6% (Vorjahr: 8.2%).

Deckungsgrade fielen auf 106.4% bzw. 77.7%

Die bei den meisten Vorsorgeeinrichtungen im negativen Bereich liegenden Renditen reduzierten die individuell ausgewiesenen Deckungsgrade der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung im Durchschnitt von 112.2% Ende Vorjahr auf neu 106.4% und bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie von 82.6% Ende Vorjahr auf neu 77.7%. Die Deckungssituation hat sich damit deutlich verschlechtert.

Anteil der Unterdeckungen hat sich auf 13.6% bzw. 93.6% markant erhöht

Der Anteil der Unterdeckungen hat sich per Ende 2018 mit einem Wert von 13.6% (Vorjahr: 1.2%) für Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherung markant erhöht. Der entsprechende Anteil bei den Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie betrug per Ende 2018 93.6% (Vorjahr: 84.6%).

Umverteilung zulasten aktiver Versicherter bleibt substanziell

Die den zukünftigen Altersleistungen zu Grunde liegenden Zinsversprechen fallen im Durchschnitt konstant höher aus als die für die Bewertung der Verpflichtungen von den Vorsorgeeinrichtungen verwendeten technischen Zinssätze.

Die Umverteilung von den aktiven Versicherten hin zu den Rentnern bleibt somit nach wie vor bestehen. Sie hat im Jahr 2018 zwar aufgrund der weniger starken Senkung der technischen Zinssätze, d.h. der geringeren Aufwendungen für die Nachfinanzierung der laufenden Renten abgenommen. Sie bleibt aber mit jährlichen 0.6% der gesamten Vorsorgekapitalien resp. rund 5.1 Milliarden Franken substanziell.

Wertschwankungsreserven sind im Schnitt nur zu 36% geäufnet

In den letzten zehn Jahren haben die Vorsorgeeinrichtungen überdurchschnittlich oft von guten bis sehr guten Anlageerträgen profitiert. Dennoch sind die Wertschwankungsreserven im Durchschnitt nicht voll, sondern nur zu 36% geäufnet (Vorjahr: 68%). 

Ein bedeutender Teil der Erträge wurde für die vorsichtigere Bewertung der Rentenverpflichtungen verwendet. Auf der Leistungsseite reduzierten die in den letzten Jahren beschlossenen Senkungen der Umwandlungssätze die zukünftig notwendigen Renditen und stärkten so die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen.

Künftiges Rentenniveau sank in den letzten vier Jahren um durchschnittlich 11%

Gleichzeitig sank das zukünftige Rentenniveau in den letzten vier Jahren um durchschnittlich rund 11%. Diese Reduktionen des Leistungsniveaus wurden oft nicht vollständig ausgeglichen; die Versicherten mussten respektive müssen diese teilweise selbst ausgleichen, durch höhere Beiträge oder mehr Beitragsjahren, oder sich auf das tiefere Leistungsniveau einstellen.

Vorsorgeeinrichtungen müsse finanzielle Risiken realistisch beurteilen

Das Schweizer Zinsniveau bleibt sehr tief; zumindest kurzfristig zeichnet sich keine Erhöhung ab. Auch mittelfristig muss von relativ tiefen Renditeerwartungen ausgegangen und mit Rückschlägen wie im Jahr 2018 gerechnet werden, warnt die OAK BV.

Sie appelliert somit an die paritätischen Organe: Sie müssten die finanziellen Chancen und Risiken ihrer Vorsorgeeinrichtung realistisch beurteilen und die notwendigen Beschlüsse treffen. Die OAK BV sieht jedoch auch die Politik in der Pflicht, um innerhalb nützlicher Frist für versicherungstechnisch korrekte regulatorische Vorgaben – insbesondere einen realistischen BVG-Mindestumwandlungssatz– zu sorgen. Die Vorsorgeeinrichtungen, insbesondere jene mit Leistungen nahe am BVG-Obligatorium, hätten ansonsten keine Möglichkeit, ihre Verpflichtungen fair und unter Eingehen vernünftiger Risiken zu finanzieren, mahnt die OAK BV.

Konzentrationsprozess setzt sich fort

Der politische Reformstau dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im BVG-System mit seinen regionalen und kantonalen Direktaufsichtsbehörden sowie der nationalen Oberaufsicht der OAK BV weitergehende Anpassungen von Nöten seien, solle der Gesetzesauftrag adäquat erfüllt werden, kritisiert die OAK BV. Dabei gelte es einerseits, dem fortschreitenden Strukturwandel der Branche vermehrt gerecht zu werden. Anderseits dürfe nichts unterlassen werden, um die Qualitätssicherung bei den involvierten Akteuren der beruflichen Vorsorge weiter voranzutreiben.

Besonderes Augenmerk gilt den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen

Das Aufsichtssystem habe sowohl der Grösse der beruflichen Vorsorge, mit Kapitalien von derzeit rund 1’000 Milliarden Franken, als auch der gestiegenen Komplexität der Vorsorgeeinrichtungen Rechnung zu tragen, fordert die OAK BV. Ein besonderes Augenmerk sei dabei auf die Aufsicht über die im Rahmen des Konzentrationsprozesses stark gewachsenen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen zu legen, deren Strukturen so unterschiedlich seien, dass gewisse mit komplexen Versicherungsgesellschaften vergleichbar seien.

Über die Erhebungen der OAK BV

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) hat die aktuellen Zahlen zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen präsentiert. Die für die ganze Schweiz einheitliche und risikoorientierte Früherhebung ermöglicht eine aktuelle Gesamtsicht über die finanzielle Lage des Systems der beruflichen Vorsorge mit Stichtag 31. Dezember 2018. Die Erhebung wird in enger Koordination mit den regionalen und kantonalen BVG-Aufsichtsbehörden durchgeführt. Bis Mitte April 2019 haben 96% (gegenüber 95% im Vorjahr) der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von 978 Milliarden Franken (Vorjahr: 988 Milliarden Franken) den Fragebogen der OAK BV ausgefüllt.

Über die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt acht kantonalen / regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung und unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge und die Vermögensverwalter in der beruflichen Vorsorge.

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