Sie befinden sich hier: Startseite » Aktuelle Themen » Artikel

Die Negativzinsen benachteiligen Hypothekarkunden zugunsten von Sparern

Donnerstag, 08.10.2015

Schweizer Banken reichen die Negativzinsen nicht an ihre Privatkunden weiter. Um die Verluste im Geschäft mit Kundeneinlagen auszugleichen, haben sie stattdessen die Margen im Kredit- und Hypothekargeschäft stark ausgeweitet, besagt eine Analyse.

Die Negativzinsen in der Schweiz werden nicht an Privatkunden weitergereicht. Zur Kompensation der Verluste im Geschäft mit Kundeneinlagen haben Schweizer Banken die Margen im Kredit- und Hypothekargeschäft stark ausgeweitet. Dank dieser Quersubventionierung sind die Gesamterträge von Schweizer Retailbanken konstant geblieben. Dies zeigt eine Analyse des Beratungsunternehmens Ernst & Young. Für die Analyse wurden Bilanzen von 386 Schweizer Retailbanken der Jahre 2003-2014 sowie Halbjahresbilanzen per 30.6.2015 berücksichtigt.

Die Zinsmarge geht seit 2007 stetig zurück

Schweizer Retailbanken haben aus Spargeldern bereits Ende 2014 keine nachhaltigen Erträge mehr erwirtschaftet – Spareinlagen waren also nur zur Refinanzierung des Kreditgeschäftes und von Hypotheken interessant, wie Peppi Schnieper, Partner und Leiter der Strategieberatung bei EY Financial Services, erklärt. 

Tatsächlich ist die Zinsmarge von Schweizer Retailbanken seit 2007 bzw. seit dem Beginn des Niedrigzinsumfeldes rückläufig. Die Medianmarge (jeweils die Hälfte der Banken weist eine höhere oder niedrigere Marge auf) ging seither von 161 auf 119 Basispunkte zurück. Der Rückgang konzentrierte sich auf die Einlagenmarge, also die Differenz des Kundenzinssatzes zum Marktzinssatz bei Kundengeldern. Diese lag Ende 2014 bei den meisten Banken bei nahezu 0; Banken konnten zur Deckung ihrer Betriebskosten somit keinerlei Erträge auf neuen Einlagen erwirtschaften.

Quelle: EY; Stand: 2015

Negativzins trifft nur Kreditkunden

Die Folgen des Negativzinses werden laut EY heute praktisch ausschliesslich von Kreditkunden und insbesondere Hypothekarkunden getragen. Die Konditionen für Einlagen von Privatpersonen und kleineren Firmenkunden sind nominal immer noch leicht positiv.

Eine typische Retailbank erwirtschaftet per 30.9.2015 auf neuen Einlagen eine negative Marge (Differenz zwischen Kundenzinssatz und Marktzinssatz) von ca. 50-80 Basispunkten. Diese negative Marge wird vollständig an Kreditnehmer und insbesondere Hypothekarkreditnehmer weitergereicht. So hat sich die typische Marge von Hypothekarkrediten zwischen dem 1.1.2015 und dem 30.9.2015 um etwa die gleiche Anzahl Basispunkte erhöht.

Sowohl Kreditkonditionen als auch Spareinlagensätze haben sich vom Marktzins entkoppelt. Kredite sind heute zu teuer, während Spareinlagen zu hoch verzinst werden. Der Kreditnehmer subventioniert heute den Sparer, wie Roger Stettler, Retailbankenexperte bei EY, erläutert.

Margenausweitungen im Kreditgeschäft gibt es auch in Dänemark

Neben der Schweiz ist auch Dänemark heute von deutlich negativen Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt betroffen. Auch hier zeigte sich eine deutliche Ausweitung der Margen im Kreditgeschäft. Anders als in der Schweiz sind Retailbanken in Dänemark aber deutlich stärker auf Firmenkundenkredite und Konsumkredite und nicht auf Hypothekarkredite fokussiert. Somit tragen dort insbesondere auch Gewerbe- und Firmenkunden die Folgen der Negativzinsen.

Kapitalmarkt für Banken eine günstige Refinanzierungsquelle

Der Kapitalmarkt stellt heute über Obligationenanleihen und Pfandbriefe für Schweizer Banken eine deutlich günstigere Refinanzierungsquelle dar als Einlagen. So lagen die durchschnittlichen Risikoaufschläge zu SWAP von Pfandbrief-Neuemissionen im Zeitraum von Mai bis Juli 2015 mit etwa 0.1% im Rahmen der vor Einführung des Negativzinses üblichen Werte. Zudem weisen diese Emissionen heute eine sehr lange Laufzeit von typischerweise deutlich über 10 Jahren auf. Dies ist insbesondere für das Management der Bilanzrisiken sehr attraktiv.

Emissionstätigkeit wird durch Grösse des Schweizer Anleihenmarktes begrenzt

Begrenzt wird die Emissionstätigkeit heute nur durch die geringe Grösse des Schweizer Anleihenmarktes. Wäre dieser stärker ausgebaut, würden aus heutiger Sicht die Banken in der Refinanzierung noch deutlich massiver auf Anleihen zurückgreifen.

Obligationenanleihen und Pfandbriefanleihen sind heute grundsätzlich die attraktivste Refinanzierungsform für Schweizer Retailbanken und werden auch von den Banken sehr aktiv genutzt. Limitiert wird der Einsatz nur durch die geringe Grösse des Schweizer Anleihenmarktes, so Roger Disch, Treasuryexperte bei EY.

Versicherungen und Pensionskassen machen den Banken Konkurrenz

Die aktuell deutlich erhöhten Margen im Schweizer Hypothekargeschäft führen zu einer verstärkten Aktivität von Nicht-Banken in diesem Markt. Hierbei sind insbesondere Versicherungen und Pensionskassen zu nennen. Ihr Anteil im Hypothekarmarkt war in den letzten Jahren allerdings rückläufig und liegt heute bei unter 5%.

Weder Versicherungen noch Pensionskassen ist es bisher aber gelungen, eine flächendeckende starke Konkurrenz zu Banken im Hypothekargeschäft aufzubauen. Bei Pensionskassen liegt der Hauptgrund in der subkritischen Grösse, während bei den Versicherungen nach Einschätzung von EY Defizite im Produktangebot und Vertrieb vorliegen dürften.

Banken könnten gezwungen sein Negativzinsen auf Retailkunden abzuwälzen

Die Berater nehmen jedoch an, dass bei andauernd erhöhten Margen im Hypothekarmarkt schrittweise die Konkurrenz, insbesondere durch Versicherungen, zunimmt und die Preise unter Druck setzt. Zu diesem Zeitpunkt dürften Banken auch gezwungen sein, verstärkt Negativzinsen an Retailkunden weiterzureichen.

Auf Dauer werde sich die Quersubventionierung von Sparern durch Hypothekarkreditnehmer in der heutigen Form somit nicht aufrechterhalten lassen, so das Fazit der Analyse.

Informationen zur Analyse

Die vorliegende Analyse ist von EY erarbeitet worden. Kern der Untersuchung bildet die Analyse von 4‘632 Jahresrechnungen aus den Jahren 2003-2014 sowie die Analyse von sämtlichen Anleihen- und Pfandbriefemissionen von Schweizer Banken in den Jahren 2014 und 2015.

Twitterdel.icio.usgoogle.comLinkaARENAlive.comMister Wong
Copyright © 2011-2024 vorsorgeexperten.ch. Alle Rechte vorbehalten.