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Die tatsächliche ÜL-Quote ist niedriger als vom BSV ursprünglich projeziert

Dienstag, 05.12.2023

Das Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Erste Auswertungen zeigen: Lediglich ein Viertel aller über 60-jährigen Ausgesteuerten hat ein Gesuch gestellt. Das könnte sich ändern.

Überbrückungsleistungen (ÜL) sichern die Existenz von Personen, die kurz vor dem Erreichen des Rentenalters ihre Erwerbsarbeit verloren haben, bis zum Zeitpunkt, in dem sie ihre Altersrente beziehen können. ÜL sind Bedarfsleistungen und werden ähnlich berechnet wie die Ergänzungsleistungen.

Für eine Anspruchsberechtigung müssen mehrere Kriterien erfüllt sein

Anspruchsberechtigt sind über 60-jährige Personen, die von der Arbeitslosenversicherung (ALV) ausgesteuert worden sind und deren Vermögen 50’000 Franken nicht überschreitet (100’000 Franken bei Verheirateten), wobei selbstbewohnte Immobilien gesamtheitlich und Vorsorgeguthaben in der zweiten Säule bis zu einer Grenze von 522’600 Franken davon ausgenommen sind. Zudem haben nur diejenigen ausgesteuerten Personen ein Anrecht auf Überbrückungsleistungen, die davor während mindestens 20 Jahren – 5 davon nach dem 50. Geburtstag – in der AHV versichert waren und dabei ein Einkommen von jährlich mindestens Dreivierteln der AHV-Höchstrente (22’050 Franken, Stand 2023) verdient haben oder Erziehungs- und Betreuungsgutschriften aufweisen.

Die ÜL werden durch allgemeine Bundesmittel finanziert. Die Kantone sind für den Vollzug und die Auszahlung der ÜL zuständig. Erste Auswertungen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) zeigen, dass zwischen Juli 2021 und Ende 2022 insgesamt 671 Personen diese Gelder beansprucht haben. 142 Personen (21%) verloren in dieser Zeit ihren Anspruch wieder, weil sie eine AHV- oder IV-Rente bezogen, weil sie in einen Drittstaat ausserhalb der EU auswanderten oder weil sich ihre wirtschaftliche Situation verändert hat, wie Ann Barbara Bauer und Anja Roth in «Soziale Sicherheit CHSS» zusammenfassen.

Mehrheit stellt (noch) kein Gesuch

In den Jahren 2021 (Gesamtjahr) und 2022 wurden insgesamt 5519 über 60-Jährige Personen ausgesteuert. In der folgenden Analyse bildet diese Zahl die «Referenzgruppe». Bis Ende 2022 haben maximal 1726 Personen ein ÜL-Gesuch gestellt, und mindestens 4089 über 60-jährige Ausgesteuerte beantragten keine ÜL-Gelder – wobei die Gründe nicht bekannt sind. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 1055 Gesuche abgelehnt, wie eine BSV-Umfrage bei 23 Kantonen zeigt. Diese Zahl umfasst allerdings auch Personen unter 60 Jahren sowie Nicht-Ausgesteuerte. Bei rund einem Viertel aller abgelehnten Gesuche waren die altersbedingten Voraussetzungen nicht erfüllt oder sie waren noch nicht aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden.

Wenn man nur die über 60-jährigen Ausgesteuerten betrachtet, die auch in der Referenzgruppe enthalten sind, verbleiben 759 abgelehnte Gesuche. Davon weisen 38 Prozent ein zu hohes Vermögen auf, 22 Prozent verfügten nicht über die verlangte Mindestbeitragsdauer von 20 Jahren in der AHV, und 16 Prozent bezogen Ergänzungsleistungen, welche Vorrang gegenüber der Überbrückungsleistungen haben.

Allerdings zeigt die Häufigkeit der Ablehnungsgründe zu einem gewissen Teil auch die Reihenfolge, in der die Durchführungsstellen die Zugangskriterien prüfen. Zurzeit sind allerdings noch nicht genügend Informationen vorhanden, um die Situation und die Ablehnungsgründe der ausgesteuerten älteren Personen abschliessend auszuweisen. Eine umfassende Evaluation ist für 2026 geplant.

ÜL-Quote ist derzeit unvollständig

Die ÜL-Quote misst den Anteil aller ÜL-Beziehenden am Total der ausgesteuerten Personen ab dem 60. Altersjahr. Zum aktuellen Zeitpunkt zeigt die Quote erst eine Untergrenze des Anteils der ÜL-Beziehenden an den Ausgesteuerten. Zum Beispiel kann es sein, dass Personen nach der Aussteuerung erst einen Teil ihres Vermögens abbauen, bevor ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen entsteht. Aufgrund des kurzen Zeitraums, in dem die Entwicklung des ÜL-Bezugs beobachtet wird, kann noch nicht abschliessend beurteilt werden, wie häufig das vorkommt.

Die vorläufige ÜL-Quote ist daher mit Vorsicht zu interpretieren: Sie liegt im Jahr 2021 bei 17%. Für das Jahr 2022 beträgt sie provisorisch 10%, wobei hier noch nicht alle Ausgesteuerten erfasst sind. Grosse kantonale Unterschiede sind nicht zu beobachten.

Trotzdem lässt sich bereits schlussfolgern, dass die tatsächliche ÜL-Quote niedriger ist als die ursprünglichen Projektionen des BSV. Das BSV hatte in seinen Schätzungen eine ÜL-Quote von 36% angenommen.

 

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