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Die Umverteilung von «jung» zu «alt» liegt im Bereich von 90 Mia. Franken

Sonntag, 19.05.2019

Seit Jahren partizipieren Rentner aufgrund höherer Zinsgutschriften und aktuarisch zu hohen Umwandlungssätzen stärker von den Anlageerträgen als die aktiv Versicherten. Experten-Zahlen belegen nun eine viel höhere Umverteilung als bisher angenommen.

In der beruflichen Vorsorge wurden in den vergangenen zehn Jahren Gelder in der Grössenordnung von über 90 Milliarden Franken von den Erwerbstätigen zu den Rentnern umverteilt. Das geht aus Daten hervor, die der Vorsorgeberater PPC Metrics für die «SonntagsZeitung» erhoben hat. 

Umverteilung ist viel höher als zunächst geschätzt

Die Credit Suisse publizierte 2017 ihre Studie «Schweizer Pensionskassenumfrage – Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen»; sie basierte auf einer im Oktober/November 2016 durchgeführten Umfrage, an der knapp 200 Pensionskassenverantwortliche teilgenommen hatten. Anhand der Ergebnisse schätzen die Ökonomen der Credit Suisse, dass sich diese Umverteilung im Jahr 2015 auf insgesamt rund 5,3 Milliarden Franken belief. Für die Credit Suisse deutete dies auf eine Verschärfung der Umverteilungsproblematik hin. Eine frühere Schätzung der Credit Suisse ging von einer Umverteilung von 3,5 Milliarden Franken für das Jahr 2010 aus.

Auch die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK-BV) erhebt seit fünf Jahren Daten zur Umverteilung in der 2. Säule. Die im April 2019 publizierte Zahlen belegen eine Umverteilung in Höhe von rund 33,5 Milliarden Franken zwischen 2014 und 2018. Das entspricht im Schnitt 6,7 Milliarden Franken pro Jahr.

Zahlen für die Jahre davor zeigen nun, dass die Umverteilung von 2009 bis 2013 noch höher war. Sie lag in der Grössenordnung von 12 Milliarden Franken pro Jahr. Die SonntagsZeitung spekuliert, dass dies auch in Zusammenhang mit der Finanzkrise stand. Die Vorsorgeeinrichtungen hätten danach mit ihren Erträgen erst die Reservetöpfe füllen müssen, bevor sie dem Kapital der aktiv Versicherten wieder hätten Zinsen gutschreiben können.

Lücken bei der Finanzierung der Renten entstanden schon 1997

Gemäss einem Bericht der Oberaufsichtskommission, den die SonntagsZeitung zitiert, setzte die Umverteilung allerdings schon vor 2009 ein. So hätten sich bereits ab 1997 Lücken bei der Finanzierung der Renten aufgetan. Die Renditen der Pensionskassen seien schon damals nicht in jedem Jahr hoch genug gewesen, um die Renten zu finanzieren. Nach den guten Börsenjahren der Neunzigerjahre hätten die Kassen aber Reserven besessen, mit denen sie die Lücken hätten schliessen können. Spätestens nach 2007 seien die Renditen und die versprochenen Renten jedoch weit auseinandergeklafft, und die Reserven seien aufgebraucht gewesen. So hätten die Erwerbstätigen mit ihrem angesparten Kapital die Renten nachfinanzieren müssen.

Kassen können die nötige Rendite kaum mehr erwirtschaften

Laut Marco Jost, Pensionskassenexperte von PPC Metrics, den die SonntagsZeitung zitiert, könnten die Vorsorgeeinrichtungen die Rendite, die es brauche, um die versprochene Rente zu bezahlen, nur mit hohem Anlagerisiko erwirtschaften. Viele tun das auch, verweist die Zeitung auf die Erhebung der Oberaufsichtskommission. Danach verfolgen 53% eine Anlagestrategie mit einem eher oder hohen Risiko. Gehe diese Strategie nicht auf, müssten die Erwerbstätigen dafür bezahlen. Sie erhielten weniger Zins oder müssen gar helfen, ihre Kasse zu sanieren.

Wie bereits in früheren Pensionskassenumfragen der Credit Suisse nannten die Pensionskassenverantwortlichen auch in jener von 2017 als häufigste Herausforderung das anhaltende Tiefzinsumfeld. Für 93% der Umfrageteilnehmer stellt dieses eines der drei wichtigsten Probleme dar, mehr als die Hälfte bezeichnet es sogar als ihre grösste Herausforderung. Für jeweils knapp 60% gehören zudem der zu hohe Mindestumwandlungssatz und der demografische Wandel zu den drei Hauptsorgen. «Die steigende Lebenserwartung und der Renditedruck zwingen die Vorsorgeeinrichtungen dazu, sowohl auf der Leistungs- als auch auf der Anlageseite Massnahmen zu treffen», merkte die Credit Suisse damals an.

Umverteilung dürfte weitergehen

Auch der Vorsorgeberater PPC Metrics schrieb in seinem «Risiko-Check-up» 2018: «Bleibt das Zinsniveau tief, so werden die Pensionskassenverantwortlichen die Flexibilität des Systems weiterhin nutzen und die Verzinsung der Aktivsparkapitalien tief halten. Eine dauerhafte Umverteilung der aktiv Versicherten zugunsten der Rentenbezieher ist die Folge.»

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