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Eine Scheidung ist für Frauen ein grosses Vorsorgerisiko

Dienstag, 09.03.2021

Die Auswirkungen einer Scheidung auf die Altersvorsorge sind für Frauen oft besonders gross. Sie werden aber häufig unterschätzt. Aktuell bezieht mehr als jede vierte Rentnerin Ergänzungsleistungen zur AHV.

Nur jede fünfte Frau hat sich zum Zeitpunkt der Scheidung ernsthaft mit den Auswirkungen auf ihre Altersvorsorge auseinandergesetzt. Dabei ist mehr als jede vierte geschiedene Rentnerin in der Schweiz auf Ergänzungsleistungen zur AHV angewiesen. Scheidungsrechtliche Ausgleichsmechanismen reduzieren zwar den Gender Pension Gap zwischen Geschiedenen – aber nicht vollständig, wie die neue Swiss Life-Studie «Vorsorgerisiko Scheidung» zeigt.

Oft entstehen auch lange nach der Scheidung erhebliche Vorsorgelücken

Viele geschiedene Frauen arbeiten aufgrund der Kinderbetreuung in reduzierten Pensen. Dadurch entstehen vor allem in den Jahren nach der Scheidung häufig Vorsorgelücken, die nicht geschlossen werden. Frauen, die während der Ehe in tiefen Pensen arbeiteten, tun dies auch viele Jahre nach der Scheidung und der Kindererziehungsphase häufiger als jene, die vorher stark in den Arbeitsmarkt integriert waren. Daher entstehen oft auch lange nach einer Scheidung und nach der Kinderbetreuungsphase erhebliche Vorsorgelücken – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die finanzielle Selbstbestimmung von Frauen im Alter.

Frauen erhalten über alle drei Säulen hinweg etwa einen Drittel weniger Altersleistung

Heutige Rentnerinnen erhalten über alle drei Säulen hinweg durchschnittlich etwa einen Drittel weniger Altersleistung als Männer. Dieser sogenannte Gender Pension Gap ist wesentlich auf die geschlechterspezifische Aufgabenteilung zwischen Haus- und Erwerbsarbeit zurückzuführen, wie Swiss Life in einer umfassenden Studie bereits 2019 aufgezeigt hat. Besonders hart treffen solche Vorsorgelücken geschiedene Frauen: Mehr als jede vierte Rentnerin bezieht aktuell Ergänzungsleistungen zur AHV.

Geltendes Scheidungsrecht sollte den Gender Pension Gap reduzieren

Viele dieser Frauen wurden noch unter dem alten Scheidungsrecht geschieden, bevor der Vorsorgeausgleich (Aufteilung des während der Ehe angesparten Pensionskassenguthabens) und der Vorsorgeunterhalt (Unterhaltszahlungen zum Ausgleich von Vorsorgelücken nach der Scheidung) eingeführt wurden. Grundsätzlich sollte sich die finanzielle Situation künftiger geschiedener Rentnerinnen aufgrund dieser Ausgleichsmechanismen nach und nach verbessern. «Unsere Analysen zeigen nun aber, dass der Gender Pension Gap zwischen Geschiedenen in absehbarer Zeit trotzdem nicht gänzlich verschwinden wird», sagt Andreas Christen, Studienautor und Senior Researcher Vorsorge bei Swiss Life Schweiz.

Entscheidend für den Gender Pension Gap ist, was nach der Scheidung passiert

Rentenunterschiede in der beruflichen Vorsorge, die während der Ehe aufgrund von Kinderbetreuung und damit einhergehender reduzierter Erwerbstätigkeit entstehen, werden bei einer Scheidung in der Regel durch den Vorsorgeausgleich weitgehend reduziert. «Vergessen geht dabei jedoch oft, dass zwei Drittel aller Scheidungen vor dem 50. Altersjahr stattfinden. Zu einem Zeitpunkt also, in dem in der zweiten Säule typischerweise weniger als die Hälfte des künftigen Altersguthabens angespart wurde und entsprechend ein wesentlicher Teil des Sparprozesses noch bevorsteht. Entscheidend für den Gender Pension Gap unter Geschiedenen ist deshalb vor allem, was nach der Scheidung passiert», hält Andreas Christen fest.

Vorsorgeunterhalt reduziert den Gender Pension Gap nur begrenzt

Gemäss der Studie von Swiss Life arbeiten geschiedene Frauen sehr häufig in tieferen Pensen als geschiedene Männer. Dadurch sparen sie in der beruflichen Vorsorge weniger Alterskapital an. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Kinderbetreuung, die nach der Scheidung in 77% der Fälle hauptsächlich der Mutter zufällt. Kann die kinderbetreuende Ex-Partnerin nach der Scheidung nicht Vollzeit arbeiten, soll der Vorsorgeunterhalt dabei helfen, die pensumsbedingte Vorsorgelücke zu schliessen. «Unsere Studie zeigt nun zum ersten Mal auf, dass Unterhaltszahlungen die Neigung, individuell fürs Alter zu sparen, zwar erhöhen und so tatsächlich zur Reduktion des Gender Pension Gap beitragen. Allerdings erhält eine Mehrheit der befragten geschiedenen und teilzeitarbeitenden Mütter entweder keinen solchen Vorsorgeunterhalt oder kann trotz Unterhaltszahlungen nicht fürs Alter sparen. Der Gender Pension Gap bei Geschiedenen bleibt daher – wenn auch reduziert – vielfach weiter bestehen», so Andreas Christen.

Starker Rückzug vom Berufsleben während der Ehe wirkt lange nach

Zudem entstehen auch lange nach der Scheidung und der Kinderbetreuungsphase oft noch erhebliche Vorsorgelücken, weil auch viele geschiedene Frauen, die keine Kinder (mehr) betreuen, nicht Vollzeit arbeiten. Andreas Christen: «Ein starker Rückzug vom Berufsleben während der Ehe kann sehr lange nachwirken. Wer vor der Scheidung in einem 80%-Pensum oder höher erwerbstätig war, ist dies auch lange nach der Scheidung und der Kinderbetreuungsphase viel häufiger als jemand, der in den Jahren vor der Scheidung weniger als 40% arbeitete.» Obwohl eine Scheidung also tiefgreifende Konsequenzen für die Altersvorsorge hat, wird dieser Umstand sehr häufig unterschätzt: Nur gut ein Fünftel der befragten Frauen hat sich während der Scheidung ernsthaft damit auseinandergesetzt. Lediglich 14% haben sich vor der Scheidung zu den Auswirkungen auf die Altersvorsorge beraten lassen.

Auseinandersetzung mit dem Thema und Fuss im Arbeitsmarkt behalten sind zentral

Die Ergebnisse der Studie legen jedoch genau das nahe: Sich bereits im Rahmen einer Scheidung mit deren Auswirkungen auf die Altersvorsorge auseinanderzusetzen und sich rechtzeitig beraten zu lassen, lohnt sich. Andreas Christen bestätigt: «Unsere Analysen zeigen, dass dies unabhängig vom Einkommen mit einer erhöhten finanziellen Zuversicht im Hinblick auf den Ruhestand und einer tendenziell erhöhten Sparneigung einhergeht.»

Aus Vorsorgeperspektive empfiehlt die Studie zudem, dass Frauen trotz der scheinbaren Sicherheit der Ehe mit einem möglichst hohen Pensum im Arbeitsmarkt bleiben sollten. Adressat dieser Empfehlung ist auch der Ehepartner, der seinen Beitrag zu leisten hat, damit dies gelingen kann.

Politik und Arbeitgeber sind gemäss der Studie ebenfalls aufgefordert, den Verbleib von Müttern im Arbeitsmarkt zu fördern. Andreas Christen: «Dies ermöglicht Frauen im Scheidungsfall nicht nur ein finanziell selbstbestimmteres Leben, sondern führt langfristig tendenziell auch zu tieferen Kosten in den Sozialwerken.»

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