Sie befinden sich hier: Startseite » Aktuelle Themen » Artikel

Erobern Pensionskassen den Schweizer Immobilienmarkt?

Freitag, 11.03.2022

Kritiker monieren, Spekulation und Renditehunger von Pensionskassen heize die Immobilienpreise auf Kosten der Mieter an. Doch der Anteil, den die Kassen am Immobilienmarkt halten, ist konstant, sagt Diego Taboada von Avenir Suisse.

Tatsächlich wachse das Interesse von Pensionskassen an Immobilieninvestitionen. So sei Anfang Jahr ein Gebäude an der Rue du Rhône in Genf von der Pensionskasse des Personals des Kantons Zürich übernommen worden. Kostenpunkt: 138 Millionen Franken. Laut der «Tribune de Genève» habe es sich dabei um eine der grössten Transaktionen der letzten zehn Jahre in der Stadt am Zipfel des Lac Léman gehandelt, schreibt Diego Taboada von Avenir Suisse. Dieses Beispiel verdeutliche das wachsende Interesse der Pensionskassen an Immobilieninvestitionen.

Anteil an Immobilienvermögen der Kassen ist gewachsen

Der Anteil von Schweizer Immobilien an den von autonomen und teilautonomen Pensionskassen gehaltenen Vermögenswerten sei zwischen 2008 und 2020 von 15.4% auf 17.7% (BFS 2022) gestiegen. Im Gegensatz dazu besässen Anbieter einer Vollversicherung vergleichsweise weniger Immobilienvermögen: 2008 habe es 13.1% ausgemacht, während es 2020 nur noch 11.7% betragen habe (Finma 2022). Insgesamt sei der Wert des Immobilienvermögens aller Vorsorgeeinrichtungen von 99 auf 213 Milliarden Franken gestiegen, was einer jährlichen Zunahme von 7% entspreche. «Das heisst, der Anteil an Immobilienvermögen ist von 15.0% auf 17.4% gewachsen. Zum Vergleich: Das gesamte verwaltete Vermögen ist im selben Zeitraum von 667 Milliarden auf 1230 Milliarden Franken gestiegen», hält Taboada fest.

Grund liegt im Anlagenotstand

Dieser Appetit auf Beton lässt sich laut Taboada vor allem durch die Situation auf den Finanzmärkten erklären, die von niedrigen oder sogar negativen Zinsen geprägt sei, was Anleihen unattraktiv mache. Immobilien böten ein gutes Gleichgewicht zwischen Rendite und Stabilität. Er führt Aussagen der UBS an, wonach Immobilien eine der Anlagen mit den höchsten durchschnittlichen Renditen (6.24% zwischen 2009 und 2021) sei. Darüber hinaus würden Immobilien durch Mieteinnahmen regelmässige Liquiditätszuflüsse generieren, die für die Zahlung der Renten unerlässlich seien. Dieser Run auf Immobilien werfe jedoch auch Fragen auf, sagt Taboada. So würden Kritiker monieren, dass die Spekulation und der Renditehunger der Kassen die Immobilienpreise auf Kosten der Mieter und der Mittelschicht steigen liessen.

Kassen halten nur 6% des Gesamtvermögens in Immobilien

Erobern die Pensionskassen wirklich den Immobilienmarkt? fragt Taboada. Zwar würden die Vorsorgeeinrichtungen tatsächlich mehr Liegenschaften als noch vor zwölf Jahren besitzen, räumt er ein. Der Wert des gesamten Immobilienbestands – Einfamilienhäuser, Miet- und Eigentumswohnungen, Büro- und Geschäftsgebäude – sei ebenfalls gestiegen. Er sei zwischen 2008 und 2020 gemäss Wüest & Partner von 1761 Milliarden auf 3780 Milliarden Franken angestiegen. Setze man diese Zahlen in Relation zum erwähnten Immobilienvermögen der Pensionskassen, so betrage der Anteil der Pensionskassen aber nur 6% des Gesamtvermögens. Dieser Wert habe sich seit 2008 nicht verändert.

Kassen investieren vor allem in Renditeobjekte

Die Pensionskassen investierten vor allem in Renditeobjekte. Ein Vergleich mit dem Markt für Mietobjekte sei daher aussagekräftiger, sagt Taboada. Auch hier sei der Marktanteil der Vorsorgeeinrichtungen seit 2008 sehr stabil geblieben und schwanke zwischen 16% und 18% des Mietwohnungsbestands. Anders ausgedrückt: Zwischen 82% und 84% des Mietmarktwerts würden nicht von den Vorsorgeeinrichtungen gehalten, sondern von anderen privaten oder öffentlichen Akteuren wie Banken, Anlagefonds, Kantonen und Gemeinden oder auch Privatpersonen. Die Vorstellung eines Immobilienmarktes, der nach und nach von den Vorsorgeeinrichtungen dominiert werde, entspreche nicht der Realität.

Kassen sind nicht marktbeherrschend

Die Zahlen würden zeigen, dass die Pensionskassen mit einem Anteil von 17% an Mietobjekten zwar ein wichtiger Marktteilnehmer seien, aber bei weitem nicht marktbeherrschend. Dies gelte umso mehr, als ihre Guthaben unter den 1400 Vorsorgeeinrichtungen aufgeteilt seien. Auch wenn einige Kassen über beträchtliche Mittel verfügten, könnten sie die Marktpreise nicht allein diktieren. Der Anstieg der Investitionen in Immobilien folge dem allgemeinen Markttrend, der in erster Linie die Entwicklung von Angebot und Nachfrage widerspiegle.

Anteil der Kassen an der Gesamtzahl der Investoren ist stabil

Der relative Anteil der Pensionskassen an der Gesamtzahl der Investoren sei seit zwölf Jahren stabil geblieben, erklärt Taboada. Und er ergänzt: «Wir sind weit entfernt vom Bild einer zunehmenden Kontrolle der Vorsorgeeinrichtungen über den Immobilienmarkt, die es ihnen ermöglichen würde, das Wetter auf dem Immobilienmarkt zu bestimmen.»

 

Anzeige
 
Twitterdel.icio.usgoogle.comLinkaARENAlive.comMister Wong
Copyright © 2011-2024 vorsorgeexperten.ch. Alle Rechte vorbehalten.