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«Für Anbieter von Vorsorgeprodukten dürfte der Produkte-Mix hinsichtlich FATCA entscheidend sein»

Mittwoch, 21.11.2012

Gelingt es der Schweiz nicht, Erleichterungen für Vorsorgeanbieter und -produkte vom US-Steuergesetz FATCA zu erwirken, dürfte das für die Konsumenten Kostenfolgen haben. Besitzen Produkte jedoch kein Potential zur Steuerhinterziehung, werden sie wohl von FATCA befreit, erklärt Micha Bitterli von KPMG Schweiz gegenüber vorsorgeexperten.ch.

Herr Bitterli, demnächst werden die «Final regulations» des US Steuergesetzes FATCA veröffentlicht. Diese neuen Identifikations-, Melde- und Quellensteuerpflichten zielen an sich auf US-Personen ab, die ihre Steuerpflicht besser wahrnehmen und Vermögenswerte und -erträge weltweit deklarieren sollten. Dazu werden auch ausländische Finanzinstitutionen in die Pflicht genommen. Betroffen sind aber nicht nur Banken und Vermögensverwalter, sondern auch Versicherungen und Pensionskassen, etwa in der Schweiz. Wie kommt das?

Ob eine Institution von FATCA betroffen ist, wird in einem dreistufigen Prozess abgeklärt. Zuerst prüfen die Behörden, ob eine Institution eine sogenannte "Foreign Financial Institution" (FFI) ist. So gilt eine Institution als FFI, wenn sie Bankdienstleistungen anbietet und Gelder von Kunden handelt oder selbst investiert. Das tangiert natürlich auch Versicherer, welche den Hauptteil ihrer Erträge durch Anlagen bzw. Investitionen erwirtschaften. Im Falle von  Sach- und Todesfall-Versicherern macht dies aber keinen Sinn. Das haben auch die Amerikaner erkannt. Sie bezeichnen solche Fälle daher als "unintended side effects". Inzwischen verhandlt man drüber, das wieder etwas zu korrigieren.

Das geschieht wohl anhand von Staatsverträgen. Um welche Staatsverträge geht es dabei?

Das sind so genannte "Intergovernmental Agreements" oder "IGAs", welche die USA mit verschiedenen Ländern abschliessen. Einer dieser Verträge wird gerade von der Schweiz mit den USA ausgehandelt. Dieser soll später als Modell für entsprechende Verträge mit Japan, Luxembourg und Österreich dienen. Ein anderer Typ von Staatsvertrag wurde bereits mit Grossbritannien abgeschlossen. Weitere zentraleuropäische Länder, etwa Deutschland, folgen. Anhand dieser Verhandlungen zeigt sich jetzt, was für Korrekturen beispielsweise bei Versicherungsklassen vorgenommen werden. Zu erwarten sind solche Korrekturen vor allem für Policen, welche nicht dazu missbraucht werden können, Steuern zu hinterziehen oder zu umgehen. Dazu zählen auch Sach- und Todesfallversicherungen.

Was ist mit Lebensversicherungen?

Solange diese eine Sparkomponente beinhalten, werden sie von FATCA nicht ausgenommen.

Was passiert, wenn die Frage, ob eine Institution eine FFI ist, geklärt wurde?

Wenn eine Institution sich als FFI qualifiziert,  werden die nächsten beiden Stufen geprüft. Das heisst, man klärt ab, ob sogenannte "Financial Accounts"  geführt werden. In der Versicherungs- oder auch Vorsorgebranche sind Financial Accounts Konten, die einen Geldwert haben, der grösser als Null ist, und die somit eine Sparkomponente umfassen oder einen Zins auszahlen. Versicherungen bieten beispielsweise Produkte an, die neben einer Police  auch ein Konto beinhalten, auf das Geld einbezahlt werden kann und wovon die Police beglichen wird. Das eignet sich insbesondere für Personen, die viel im Ausland sind. Auf diesem Konto erhält der Begünstigte einen Zins, weshalb es bereits als Financial Account gilt.

Angenommen eine Institution ist eine FFI und führt Financial Accounts. Was bedeutet das für sie?

Jetzt spielt die dritte Stufe des Prüfprozesses eine Rolle. Das heisst, die Institution muss klären, ob sie Amerikaner bzw. so genannte "US-Persons" als Kunden hat, die ein Financial Account halten. Diese muss die FFI an die US-Steuerbehörde IRS melden.

Inwiefern betrifft FATCA die Pensionskassen?

Bei den klassischen Financial Accounts stellt sich die Frage, welche Produkte grundsätzlich zur Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung  missbraucht werden könnten, bzw. mit welchen Produkten das nicht möglich ist. Untauglich sind klassischerweise Pensionskassen. Generell lässt sich sagen, dass Sparprodukte, die steuerlich bevorteilt sind, von FATCA ausgenommen sind, da die Kunden einen steuerlichen Vorteil daraus ziehen, wenn sie diese den Steuerbehörden angeben.

Auch die Säule 3a ist an sich ein solches Produkt. Allerdings ist noch unklar, ob sie von FATCA ausgenommen wird oder nicht. Wir rechnen damit, können aber erst nach Veröffentlichung des definitiven Textes des IGA’s für die Schweiz und unter Umständen sogar erst  mit Veröffentlichung der Final Regulations sicher sein. Im Moment sieht es aber gut aus.

Schweizer Pensionskassen sind also von FATCA befreit.

Grundsätzlich sind sie das noch nicht. Wir gehen aber davon aus, dass sie befreit werden.

Die Säule 3a könnte aber unter FATCA fallen.

Wir hoffen, dass die Säule 3a von FATCA vollständig ausgenommen wird obwohl diese keine eigentliche Altersvorsorge im Sinne eines „Retirement Plans“ der 2. Säule, sondern eine steuerlich privilegierte persönliche Vorsorge darstellt, welche nicht den genauen technischen Anforderungen zur Privilegierung gemäss Definition der Proposed Regulations entspricht.
Im Sinne des Gesetzes sollten diese Produkte von FATCA ausgenommen sein, Klärung wird jedoch erst das definitive IGA zwischen der Schweiz und den USA geben.

Was ist mit der Säule 3b?

Da die Säule 3b steuerlich nicht privilegiert ist, wird sie von FATCA erfasst werden.

Sind diese FATCA-Befreiungen der 2. Säule und der Säule 3a Gegenstand der Intergovernmental Agreements?

Darüber verhandelt die Schweiz jetzt mit den USA. Im IGA mit England sowie auch im Standardvertrag sehen wir, dass diese Produkte ausgenommen werden sollen. Es gibt aber noch weitere Aspekte zu beachten, selbst wenn gewisse Produkte an sich von FATCA befreit sind.

Ist eine Institution durch das Produkt automatisch auch selbst von FATCA befreit?

Nein. Das ist eine Institution nur dann, wenn sie insgesamt als „exempt beneficial owner“ qualifiziert wird. Diese Klassifizierung erhält sie, wenn ihre Investmenteinkünfte aufgrund des Status als Pensions- oder Altersvorsorgeeinrichtung steuerbefreit sind, oder mehr als 50% der Beiträge durch die Regierung oder den Arbeitgeber gleistet werden. Es kann aber auch sein, dass eine Institution zwar eine FFI ist,  aber dennoch als FATCA compliant gilt und den „certified deemed compliant status“ erhält. In letzterem Fall muss beispielsweise eine Pensionskasse, die ein FFI ist, zu dem Zweck errichtet worden sein, Ruhegehälter zu gewähren und muss gleichfalls gewisse Detailvoraussetzungen erfüllen. Etwa die, dass kein ausländischer Kunde eine Berechtigung an Vermögenswerten der FFI von mehr als 250'000 Dollar besitzt. Eine solche FFI muss sich nicht bei der IRS registrieren und es gibt für sie auch keinen FATCA-Quellensteuerabzug. Es ist aber auch denkbar, dass eine Institution keine dieser Befreiungskriterien geltend machen kann und FATCA vollständig umsetzen muss. Für die 2. Säule wird das sicherlich nicht der Fall sein, und wohl auch kaum für die Säule 3a.

Wie Sie bereits sagten, sind Versicherungen nicht von FATCA ausgenommen. Geht es dabei vor allem um die umstrittenen Wrapper-Produkte und fondsgebundene Lebensversicherungen, also Produkte der Säule 3b, in denen die IRS Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung sieht?

Das ist so. Wenn man ehrlich ist, muss man auch sagen, dass gerade in der Vergangenheit kreierte Insurance Wrapper diesen Zweck, je nach Ausgestaltung, erfüllen konnten. Manche Länder haben Inhabern von Insurance Wrapper ermöglicht, dass wenn sie eine bestimmte Anzahl Jahre in einen solchen Wrapper investiert hatten, sie das Vermögen danach steuerbefreit wieder abziehen konnten. Das wurde zum Teil auch missbraucht, entweder um nicht deklarierte Vermögenswerte wieder zu legalisieren oder um die wirtschaftlich Berechtigten zu verstecken. Da die IRS bei einem Wrapper-Produkt den Beneficial Owner nicht sieht, da sich sein Konto im Namen der Versicherung bei einer Bank befindet, will sie die Besteuerung dieser Vermögenswerte sicherstellen.

Welche anderen Produkte der Säule 3b werden von FATCA betroffen sein?

Alle klassischen Produkte der ungebundenen Vorsorge, die sowohl bei einer Bank als auch bei einem Versicherer erworben bzw. eingerichtet werden können. Für Anbieter von Vorsorgeprodukten dürfte der Produkte-Mix allerdings entscheidend sein.

An was für einen Produktmix bei Institutionen denken Sie?

Handelt es sich beispielsweise um eine Pensionskasse, die nur die 2. Säule anbietet, hat diese Institution grosse Chancen, dass sie von FATCA befreit wird. Führt eine Institution Produkte der 2. Säule und der Säule 3a, stehen die Chancen darauf ebenfalls gut. Offeriert diese Institution aber noch Produkte der Säule 3b, wird sie von FATCA betroffen sein. Dort stellt sich dann die Frage, ob man die Geschäftsmodelle entsprechend anpassen will. Es wäre beispielsweise denkbar, dass ein Anbieter Leben-Produkte und solche der Säule 3b in einer separaten Gesellschaft führt, die FATCA untersteht. Gesellschaften, die nur noch steuerbefreite Vorsorgeprodukte führen, werden von FATCA voraussichtlich befreit.

Heisst das, Vorsorgeanbieter werden quasi gezwungen sein, ihre Organisation entsprechend umzubauen?

Ich sage nicht, dass sie gezwungen sein werden. Es würde aber durchaus Sinn machen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Vorsorgeanbieter Leben- und 3b-Produkte nicht mehr selber machen, sondern einkaufen. Das ist letztlich eine Kosten-Nutzen-Frage. Denkbar ist auch, dass mehrere Gesellschaften zusammen eine Gesellschaft für 3b-Produkte gründen. Um die Kosten zu senken, gibt es sicherlich sehr innovative Lösungen.

Diverse Gesellschaften und Verbände haben beim U.S. Department of Treasury Eingaben eingereicht, um für weite Teile der Altersvorsorge Freistellungen oder Erleichterungen zu erzielen. Was können sie damit noch erreichen?

Am 21. Juni 2012 haben die USA zur Umsetzung von FATCA eine Mitteilung publiziert, wonach sie für gewisse Institutionen Erleichterungen anstreben. Dabei darf man die Interessen der USA nicht ausser Acht lassen, die möchten, dass alle Institutionen, die den Quellen-Steuervertrag mit der IRS unterschrieben haben, sich auch verpflichten, jenen Institutionen, die diesen Vertrag nicht unterschrieben haben, 30% Quellensteuer abzuziehen.

Was die Banken angeht, so funktioniert das in der Schweiz relativ einfach. Die Credit Suisse und die UBS sind in den USA so gross, dass sie unterschreiben müssen und somit zu einem Withholding Agent werden. Jedem, der mit der Credit Suisse oder UBS Geschäfte macht, und nicht unterschrieben hat, müssen sie demnach 30% Quellensteuer abziehen. So läuft das auch im Rest der Welt, da es den USA gelungen ist, die grössten Finanzzentren in diese Steuer einzubinden.

Was ist mit den Versicherungsgesellschaften?

Für Versicherer und gemäss dem am 14. November 2012 veröffentlichten Model II des IGA sieht es so aus, dass der sogenannte "small FFI with local clients" auch für Lebensversicherungsgesellschaften gilt. Eine abschliessende Klärung dazu ist aber notwendig, da in den "proposed regulations" die Versicherungsgesellschaften genau in dieser Frage explizit ausgenommen sind. Laut dem Wortlaut des veröffentlichten Modell II gehen wir nun jedoch davon aus, dass unter dem IGA II jede FFI – also auch eine Versicherungsgesellschaft – diesen „deemed compliant Status“ erreichen kann.

Was heisst das für Versicherungsgesellschaften in der Schweiz?

Für Schweizer Versicherer kann das problematisch sein. Gehen sie mit einem Kunden beispielsweise einen Lebensversicherungsvertrag ein, der eine Sparkomponente enthält, welche auf einem Börsenindex – vielleicht in den USA – basiert, müssten sie dem Kunden 30% Quellensteuer abziehen. Da sie nach Schweizer Gesetz aber dazu verpflichtet sind, dem Kunden 100% seines Guthabens auszuschütten, müssten sie die 30% Quellensteuer selber bezahlen. Mit der zwischenstaatlichen Vereinbarung zwischen der Schweiz und den USA wird daher eine Regelung angestrebt, wonach Versicherungsgesellschaften ihren Kunden die 30% Quellensteuer nicht abziehen und die Kundenbeziehung nicht beenden müssen, da dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Die Schweiz verpflichtet sich im Gegenzug, den USA ein erleichtertes Amtshilfeverfahren zu gewähren, so dass die USA an die Namen der Versicherungsnehmer herankommen.

Gibt es noch andere FFIs, die davon betroffen sind?

All jene, die Gelder von Kunden verwalten. Ich denke hier etwa an Vermögensverwaltungs- und unter Umständen auch Treuhandunternehmungen, eventuell sogar Juristen, wodurch plötzlich zehn Tausende von teilweise Einzelgesellschaften von FATCA erfasst werden. Für all jene will man ebenfalls Erleichterungen erwirken. Für sie soll ein Sonderstatus gelten, bzw. sie sollen von FATCA ausgeschlossen werden. Zusätzlich sollen auch gewisse Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten zu den Produkten durchgesetzt werden, da der Aufwand dafür in der Schweiz zu gross wäre.

Nun kennt die Schweiz Artikel 271 Ziffer 1 im Strafgesetzbuch, wonach sie Handlungen für Behörden eines fremden Staates ohne spezielle Bewilligung unter Strafe stellt. Das umfasst an sich auch die Preisgabe von Kundendaten bei Schweizer FFIs, oder nicht?

Wenn jemand Daten sammelt und insbesondere Geld zurückbehält und an die US-Steuerbehörde IRS weiterleitet, dann fällt das tatsächlich unter Artikel 271 des Schweizer Strafgesetzbuches und würde für den Täter Gefängnis bedeuten. Also hat sich die Schweiz bereit erklärt, diesen Artikel – im Zuge eines weiteren Zugeständnisses an die USA – aufzuweichen. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

Wann darf mit einer Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweiz und den USA gerechnet werden?

Der Bundesrat hat Staatssekretär Michael Ambühl Anfang Oktober den Auftrag erteilt, diesen Vertrag mit den USA auszuhandeln. Die Resultate sollten theoretisch noch dieses Jahr vorliegen.

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