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Noch liegt die Verzinsung des Vorsorgekapitals bei vielen Kassen über dem BVG-Minimum

Montag, 20.09.2021

Mehr als zwei Drittel der Schweizer Pensionskassen haben das Sparkapital ihrer Aktivversicherten 2020 zu mehr als 1% verzinst. Der Anteil der Kassen, der nur den gesetzlichen Mindestzins zuspricht, steigt jedoch.

Trotz eines stark von Unsicherheit geprägten Jahres haben rund 70% (2019: 77%) der Vorsorgeeinrichtungen 2020 eine Verzinsung über der BVG-Mindestverzinsung von aktuell 1% gewählt. Dabei betrug die durchschnittliche Verzinsung 1.86% (im Median 1.50%), wobei privatrechtliche Vorsorgeeinrichtungen tendenziell höhere Verzinsungen gewährt haben als öffentlich-rechtliche Kassen. Das bedeutet allerdings auch, dass jede dritte Pensionskasse ihren Versicherten nur den gesetzlichen Mindestzins gutgeschrieben hat. Das geht aus einer Untersuchung des Beratungsunternehmens PPCmetrics hervor, die auf einer Analyse der Geschäftsberichte von 305 Pensionskassen beruht. Sie verwalten zusammen ein Vorsorgevermögen von 748 Milliarden Franken und zählen rund 3,5 Millionen Versicherte.

Kassen erzielten fast durchwegs positive Renditen

Die meisten Vorsorgeeinrichtungen konnten ihre Verluste aufgrund der Marktverwerfungen im 1. Quartal 2020 bis Ende Jahr nicht nur kompensieren, sondern im Durchschnitt sogar deutlich positive Renditen erwirtschaften. Die durchschnittliche absolute Rendite der betrachteten Vorsorgeeinrichtungen betrug +4.21%. Insgesamt lagen die Renditen zwischen -4.10% und +11.06%. Bei einer solchen Rendite wählte die durchschnittliche Vorsorgeeinrichtung eine Verzinsung von 1.9% für die Sparkapitalien der Aktivversicherten. Bei der Verzinsung waren allerdings beträchtliche Schwankungen zu beobachten. Laut den Experten von PPCmetrics lassen sich diese aber nur zu einem Teil mit der Höhe der Rendite erklären; demnach hatten auch andere Faktoren, wie etwa die Risikofähigkeit, einen wesentlichen Einfluss auf die Verzinsung.

Technischer Zins ging stärker zurück als das Zinsniveau

Seit dem Jahr 2009 kann ein kontinuierlicher Trend hin zu sinkenden technischen Zinsen beobachtet werden. Dieser setzte sich auch im Jahr 2020 fort. Gegenüber dem Vorjahr ist der technische Zinssatz im letzten Jahr um durchschnittlich -0.14%-Punkte gesunken. Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen wiesen höhere durchschnittliche technische Zinsen aus als privatrechtliche. Der durchschnittliche technische Zinssatz verblieb mit 1.62% aber deutlich über dem risikolosen Zins. Im Jahr 2020 hat der technische Zinssatz jedoch stärker abgenommen als das Zinsniveau (-0.07%-Punkte) gemessen an der 10-jährigen Staatsanleihe.

Umwandlungssätze sind erneut gesunken

Der durchschnittliche Umwandlungssatz der betrachteten Vorsorgeeinrichtungen ist 2020 wiederum, jedoch weniger ausgeprägt als im Vorjahr, um -0.10%-Punkte gesunken. Erstmals rechnete mehr als ein Viertel der Vorsorgeeinrichtungen mit einem Umwandlungssatz von 5% und tiefer. Dies bestätigt die sinkende Tendenz bei den Umwandlungssätzen. Unter Berücksichtigung des Zinsniveaus per Ende 2020 berechnet sich ein Umwandlungssatz von rund 3.48%. Der durchschnittliche Umwandlungssatz liegt mit 5.46% somit weiterhin deutlich darüber. Der durchschnittlich verwendete Umwandlungssatz ist 2020 aber deutlicher gefallen als der ökonomisch neutrale Umwandlungssatz. Trotzdem wird ökonomisch gesehen für die zukünftigen Renten weiterhin mehr Kapital benötigt, als bei der Pensionierung vorhanden ist. Viele Vorsorgeeinrichtungen sehen in Zukunft Umwandlungssätze von durchschnittlich 5.30% vor, wie PCCmetrics weiss. Die Experten rechnen daher mit einem weiteren Rückgang der Umwandlungssätze um 0,09 Prozentpunkte per Ende Jahr.

Gesunkene Zinsen wirkten sich negativ auf risikotragenden Deckungsgrad aus

Die Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtungen hat sich 2020 leicht verbessert. Der durchschnittliche risikotragende Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen im System der Vollkapitalisierung stieg im letzten Jahr aufgrund der positiven absoluten Renditen von 102.3% (2019) auf 103.2% (2020). Auch der durchschnittliche, ausgewiesene technische Deckungsgrad nahm per Ende 2020 gegenüber dem Vorjahr auf 111,6 Prozent zu (2019: 110,0 Prozent). Der risikotragende Deckungsgrad misst die effektive finanzielle Situation der Pensionskassen aus Sicht der Risikoträger. Ein Wert von über 100% bedeutet, dass per Ende des Jahres 2020 das verbleibende Vermögen nach Ausfinanzierung der laufenden Renten im Durchschnitt, wie auch schon im Vorjahr, leicht oberhalb der Austrittsleistung der aktiv Versicherten lag. Ein risikotragender Deckungsgrad von unter 100 Prozent würde bedeuten, dass per Stichtag die garantierten Renten nicht ohne Unterstützung der Risikoträger finanziert werden können. PPCmetrics führt die Verbesserung des risikotragenden Deckungsgrades primär auf die positiven absoluten Renditen zurück. Demgegenüber führten die leicht gesunkenen Zinsen zu einer Erhöhung der diskontierten Verpflichtungen, was sich negativ auf den risikotragenden Deckungsgrad auswirkte.

Vermögensverwaltungskosten gingen weiter zurück

Die durchschnittlichen Vermögensverwaltungskosten im Vergleich zum Vorjahr gingen 2020 von 0.42% (2019) auf 0.40% zurück. Gleichzeitig stieg auch die Kostentransparenzquote auf bereits hohem Niveau weiter an. Einen möglichen Grund für die tiefere Kostenquote sehen die Experten von PPCmetrics in den deutlich positiven absoluten Renditen. Insbesondere in den vergangenen beiden Jahren haben die hohen absoluten Renditen zu wachsenden Volumen geführt. Bei Verwendung von Staffeltarifen, welche häufig bei Vorsorgeeinrichtungen zum Einsatz kommen, gelangen bei höheren Volumen tiefere Gebühren zur Anwendung.

Verzinsung und Leistungen dürften künftig tiefer ausfallen

Viele Pensionskassen entscheiden im Herbst, wie hoch sie die Sparkapitalien ihrer Versicherten verzinsen wollen. Sie kennen bis dahin die Rendite, die sie auf ihren Anlagen bis zu diesem Zeitpunkt erzielt haben. Der Bundesrat wird im November über den Mindestzinssatz entscheiden, den er gemäss BVG-Kommission bei 1 Prozent belassen soll.

Ein Prozentpunkt mehr oder weniger für die Verzinsung des Vorsorgekapitals kann sich langfristig gesehen massgeblich auf die Rente auswirken. Für viele Pensionskassen ist es aufgrund des anhaltenden Tiefzinsumfelds allerdings schwieriger geworden, ausreichende Renditen zu erzielen, um gute Verzinsungen anbieten und die Renten nachhaltig finanzieren zu können. Viele Vorsorgeeinrichtungen sehen sich daher gezwungen, die Renten mit den Beiträgen der Aktivversicherten quer zu finanzieren. Reformen sind jedoch nach wie vor nicht in Sicht.

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